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Im siebten
Himmel

 

 

GABRIELA & ANNA-KATHARINA KOST

 

 

Text: Esther Strerath
Fotos: Uta Gleiser

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Diesen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe 45

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Knarzende 22 Stufen hinaufgestiegen landet der Besucher in einer Fundgrube, ein himmlischer Platz für Sachensucher mit Sinn für Patina. Seit mehr als 25 Jahren arrangiert Gabriela Kost hier Stillleben mit Anno-dazumal-Aura, z. B. „antikes Kinderkleidchen mit Sänfte und Madonna“ oder „Bottich mit Stroh und Flügeln“. Das 7. Zimmer, das tatsächlich aus sechs ebensolchen besteht (inkl. Ladenlokal in der Hegestraße), birst vor „Kram“, wie die Inhaberin ihr Sortiment liebevoll nennt. Das vermeintliche Chaos ist Konzept. 

„Es ist hier vielleicht ein bisschen so, als würde man auf dem Dachboden der französischen Großtante stöbern“, findet Anna-Katharina Kost, die gemeinsam mit ihrer Mutter das Geschäft führt. Nur ändert sich das Angebot hier ständig, immer aus der Kategorie „schöne, alte Dinge“, so Gabriela Kost. Manches lässt sie auf- oder umarbeiten. „Es hat lange gedauert, bis z. B. der Tischler einsah, dass unbedingt zarte Reste zu sehen sein müssen, wenn er Farbe entfernt.“ Da ist sie akribisch, zu viel Restauration killt die Aura.

Kurz: Ihre Möbel und Accessoires sind authentisch, echt alt, no Fakes. Damit trifft die alte Dame, die sich so gern extravagant kleidet und nie ohne ihren Jadestein (im handbestickten Stoffbeutelchen um den Hals getragen) das Haus verlässt, den Nerv der Zeit. Im Überangebot von allem erweist sich ihr Sammelsurium als zweifelsfrei ehrlich, inklusive des Duftes von Holz und Staub.
„Auch wenn manches wie Sperrmüll aussieht, geht es in die vornehmsten Häuser. Wenn Sie wüssten …“, deutet sie an und schweigt hanseatisch. Dass Vintage-Design boomt, tangiert sie nicht. „Ich kann mich nicht auf Designermöbel umstellen“, gibt sie unumwunden zu. „Das schaffe ich nicht. Der Laden ist dafür nicht gemacht. Und ich bin es auch nicht.“ Gabriela Kost „genügen meine Jielde-Lampen und meine Tolix-Stühle“, diese Leuchten mit Gelenken und rundem Kopf, die früher in vielen, französischen Fabriken Arbeitstische erhellten, und die Stühle aus gestanztem Stahlblech – beides längst in der Kategorie „Klassiker“ zu
Hause und seit jeher im Portfolio des 7. Zimmers. Prompt fragt eine Kundin nach „den weißen Stühlen dahinten in der Ecke“, „Tolix, kennen Sie, oder?“, antwortet Kost.


Ursprünglich hatte die Hamburgerin mit Secondhand-Mode für Kinder gehandelt. „Ich wollte unbedingt einen Laden in Eppendorf“, blickt die gelernte Erzieherin auf den Beginn ihrer Selbstständigkeit zurück. Sie übernahm den „Hegezwerg“. Irgendwann musste der renoviert werden. Danach fand sie die Räume „so herrlich, dass ich plötzlich dachte, keine Regale mehr an die Wand, keine Nägel, nichts“. Stattdessen: „Nur noch schöne Sachen.“ Ohne Vorkenntnisse – „mein Elternhaus war spießig und steril“ – shoppte sie los, fuhr nach Paris zu dem Antiquitäten- und Flohmarkt „Porte de Clignancourt“, eröffnete das 7. Zimmer. „Shabby Chic war damals der Hit. Ich habe jedes Wochenende einen Sprinter voller Möbel ge- und in der Folgewoche verkauft. Manchmal waren die Teile so morbide, dass auf der Treppe schon etwas abfiel. ‚Macht nix‘, sagten die Männer damals, das nageln wir wieder dran! Sie waren verrückt nach dem Zeug, doch das ist vorbei“, stellt sie fest. „Jetzt ist der Industrie-Look angesagt.“ Hatte sie sowieso immer schon, siehe Jielde und Co. Den Industrie-Look liebt auch Anna-Katharina. Als Kind schon half sie im 7. Zimmer, ihr Elternhaus war identisch exzentrisch eingerichtet. „Aber manchmal wünschte ich mir ein normales Zuhause, mit Sofa, zwei Sesseln und Couchtisch“, gesteht sie. Bei den Kosts stand eine Kirchenbank im Wohnzimmer. 

 

Ihre erste eigene Wohnung bestückte sie prompt „rebellisch“ mit Ikea, alles in radikalem Schneeweiß. Heute jedoch ist das Lieblingsstück der 37-Jährigen antik: ein riesiges Regal aus der niederländischen Nationalbiblio-thek. „Es gab weltweit 500 Stück, 300 erwarb damals Ralph Lauren für seine Shops“, weiß Gabriela Kost. So konsequent wie sie umgibt sich wohl kaum jemand mit „Dingen von damals“. Doch die Mischung macht’s. Kürzlich war ein Team von Ikea bei ihr, um Möbel und Accessoires für ein Foto-Shooting auszuleihen. Echt Altes boomt …

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