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Luxus-Zeit

ULI GLASER

Uli Glaser ist Goldschmied und ein Uhrmacher, wie es sonst keinen zweiten gibt. Nicht, dass er wüsste. Seine Familie ist seit 125 Jahren im Geschäft. In seinem Atelier in Ottensen arbeitet er antike Taschenchronometer zu Armbanduhren um

Text: Simone Rickert | Fotos: René Supper; Uli Glaser Design

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Es tickt beschwingt die Unruh, das Herz jeder mechanischen Uhr. Sehr leise, doch hörbar mit einer Frequenz, schneller als der menschliche Puls, treibt sie als taktgebendes Schwungrad die Zeiger voran, und ihre Präzision ist maßgebend für die Ganggenauigkeit der Uhr. Eigentlich in Verkehrung ihres Namens, bringt sie die Uhr zum ruhigen, ausgeglichenen Laufen. Ihre wahre Schönheit offenbart sie erst unter der Lupe. Uli Glaser hat die stets zur Hand.

Auf dem Tisch ein Meisterwerk des Londoner Uhrmachers George Graham, von 1751. Einst eine nur für Könige und sehr reiche Menschen bezahlbare Taschenuhr. Aber wer würde heute schon eine Tee-Ei-große Taschenuhr mit sich tragen? Sie ist ein Schatz, den Uli für den Alltag tauglich machte, indem er sie zur Armbanduhr umgestaltet hat. Das Besondere: Nicht nur das Zifferblatt mit römischen und arabischen Zahlen sieht man vorn, auf der Rückseite durch Saphirglas blickt man auf die Platine der ehemaligen Spindeluhr, Messing, feuervergoldet, handziseliert – ursprünglich unsichtbar. Geo Graham, wie er dort aus Platzmangel signierte, war ein Innovationstreiber.

Am Mann tragbare Uhren, noch früher Dosenuhren genannt und ungefähr so groß, gibt es seit Anfang des 16. Jahrhunderts, doch die höhere Genauigkeit der Zeitanzeige wurde mit einem anderen Wissenschaftsgebiet gemeinsam wichtig, der Navigation. Mit einem Sextanten konnten Kapitäne auf hoher See die Position ihres Schiffes – und damit die sichere Heimkehr der Mannschaft und Fracht –nur so genau bestimmen, wie sie die Uhrzeit kannten. Die britische Krone schrieb 1714 das unglaubliche Preisgeld von 20.000 Pfund aus für den Uhrmacher, der eine präzise Technik entwickelte, maximale Toleranz: ein bis zwei Sekunden pro Tag. Den bekam 21 Jahre später der Tischler und autodidaktische Uhrmacher John Harrison. Dies nur eine der Geschichten, die Uli über die Uhren in seinem Repertoire erzählen kann.

Er ist ein bisschen Historiker, ein bisschen Detektiv. Die Uhren, die er umbaut, stammen manchmal von den Kunden selbst, die den Wunsch haben, das Erbe weiterzutragen. Oft von internationalen Auktionen, dann setzten ihn Echtheitszertifikate, Gravuren und schlicht seine Sachkenntnis auf die richtige Fährte. Und die liegt ihm schon im Blut, Physik, Werkstoffkunde, seine Familie. Ulis Urgroßvater Oswald Glaser übernahm 1910 aus Westpreußen gekommen, er hatte dort seine Uhrmacher-, Ziselier- und Edelsteinfasser-Ausbildung gemacht, eine bestehende Firma in Erfurt, die war damals schon 100 Jahre Juwelier im schönen Eckhaus, das auf gotischen Fundamenten ruht. Er ist 98 Jahre alt geworden, Ulis Großvater 96. Von seinem Vater hat Uli das Geschäft 2016 übernommen, da war er schon lange mit dem Uli Glaser Design erfolgreich.

„Aber den Schlüssel bekommst du erst, wenn der Vorgänger abgedankt hat. So ist es in dieser Familiendynastie.“

Nach Hamburg kam Uli aus Erfurt schon mit 21 Jahren, so früh wie möglich. Über das Transitabkommen Egon Bahrs gelangte er vor dem Mauerfall aus der DDR in den Westen, auch der Liebe wegen. Seine Ehefrau kannte er damals schon. Baute sich hier seine Existenz auf, studierte auf die Lehre noch mal einen drauf in Helsinki und wurde einer der ersten Goldschmiede, der auch aus Titan und Platin sehr moderne, gradlinige Designs für Ringe und Armreife schuf.

Daher ist das hinter dem Showroom in der durch Glas schallisolierten Werkstatt auch keine klassische Goldschmiede. Hier steht schweres Gerät. An den Arbeitstischen wird filigran ziseliert und gelötet. Die Drehbank dahinter fräst auf Starkstrom, „wenn da ein Haar oder so dazwischenkommt, ist es ab.“ Die Schmelzanlage kann Gold bis 1.063 Grad auf die gewünschte Form verflüssigen. Ein Laser fasst Steine, die hitzeempfindlich sind, wie Opal oder Turmalin, die keinen so hohen Grad auf der Mohsschen Härteskala haben wie Brillanten.

Das alles wiegt mehrere Tonnen. Darum gut, dass das Gebäude im Hinterhof der Stresemannstraße 374 ursprünglich als Dosenfa­brik gebaut wurde, die Decken schwer tragend. „Hier kaufst du ein Stück Geschichte, nicht nur eine Uhr“, die historische Werktechnik namhafter Manufakturen zu bewahren, ist Ulis Inspiration. Die Uhrwerke von Patek Philippe, Breguet oder Lange & Söhne waren ab 1830 schon so handlich, präzise, dass Uli sie komplett revisiert übernehmen kann. Nicht nur die Platine und das Zifferblatt und Zeiger, wie aus den älteren Modellen. Mit diesen Armbanduhren kann man zwar nicht tauchen gehen und auch lieber nicht golfen, obwohl sie ein Titan-Gehäuse haben. „Aber im Chanel-Kostüm gräbst du ja auch nicht den Garten um.“

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