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Benjamin Adrion

GRÜNDER VON VIVA CON AGUA

Text: Regine Marxen Fotos: Julia Schwendner

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Diesen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe 64

„Für mich ist es keine Alternative, zu sagen, nur weil es ein Risiko ist, machen wir das nicht.“ Also baute Benjamin gemeinsam mit Partnern die Villa Viva. Das Hotel, das mehrheitlich dem Verein „Viva con Agua de Sankt Pauli“ gehört, liegt im Hamburger Münzviertel unweit des Hauptbahnhofs und eröffnete Anfang 2024 nach mehr als sieben Jahren Planungs- und Bauzeit. Ein bunter Kreativkosmos mit 138 Zimmern auf zwölfeinhalb Etagen, inklusive Zauberkiosk, Dachsauna, Rooftop-Bar und Kunst an den Wänden. Hinter der Idee steht Benjamin Adrion, Geschäftsführer der Villa Viva Holding, zusammen mit seinem langjährigen Freund Michael Fritz. Mit ihm hat er bereits den Verein „Viva con Agua“ gegründet. Nun also ein Hotel, in dem die Werte des „Viva con Agua“-Ökosystems quasi in Stein gemeißelt sind. Kunst, Kooperation, Optimismus für eine bessere Welt, in der alle Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser und Sanitärversorgung haben. Denn wer hier übernachtet, unterstützt am Ende die Aktivitäten von „Viva con Agua“.
Das Projekt ist eine Herausforderung, finanziell, aber vor allem kommunikativ. So ein Bau ist teuer, schnell steht der Verdacht im Raum, man würde als Non-Profit-Organisation Spendengelder verbrennen. Auch deshalb wird Benjamin nicht müde, das Finanzierungsmodell ausei­nanderzudröseln. In aller Kürze: Die Viva con Agua Stiftung und der „Viva con Agua de St. Pauli e.V.“ halten zusammen 67 Prozent an der Villa Viva Holding. Diese hält 60 Prozent an der Villa Viva Gasthaus GmbH, 40 Prozent der Anteile gehören Jens Srokas Heimathafen-Hotels. Letztere schmeißen den Gasthausbetrieb, Erfahrung in der Hotellerie kann nicht schaden. Die Gewinne aus dem Gasthausbetrieb gehen zu 60 Prozent an die Villa Viva Holding. Noch kürzer: Es flossen keine Spendengelder in den Neubau, das gesamte Eigenkapital stammt von einer Shareholdergang aus 19 Privatinvestoren. Zu ihnen zählen Leute wie Jan Delay, Bela B, Kevin Kurányi oder die Braun-Brüder aus dem Miniatur Wunderland. „Und das Wichtigste: Mindestens 40 Prozent der Gewinne aus dem Gasthausbetrieb unterstützen die Arbeit von ,Viva con Agua‘ und fließen in Wasserprojekte.“

Vor rund 20 Jahren hat Benjamin das internationale Netzwerk gegründet. Von Beginn an war „Viva con Agua“ eng mit dem Fußballverein FC St. Pauli verbunden. Benjamin Adrion war damals Mittelfeldspieler bei dem Kiez-Verein. Im Trainingslager auf Kuba kam ihm die Idee, sich ehrenamtlich im Bereich Trinkwasserversorgung zu engagieren. Aus dem Ehrenamt wurde eine neue Lebensaufgabe.
Der FC St. Pauli und Benjamin, das ist eine große Liebe. Mit 14 Jahren begann er seiner Karriere in der Jugendmannschaft vom VfB Neckarrems. Er war ein Naturtalent, „mehr talentiert als hard working“, sagt er.
2002 kickte er sich entspannt in die erste Mannschaft des VfB Stuttgart, war dann kurz beim Regionalligisten Eintracht Braunschweig – um 2004 beim damaligen Hamburger Drittligisten Pauli zu landen. Endlich. Hier trafen sich Fußball und die sozialen Werte, die ihm wichtig waren.

„Das war der Ort, wo ich wirklich spielen wollte.“ 52 Spiele absolvierte er unter der Totenkopfflagge. 2007 stieg er aus dem Profi-Fußball aus. Damals war er Mitte 20, eigentlich zu jung, um den Platz für immer zu verlassen. Aber wenn man seinen Beruf schon von Kindesbeinen an lebt, fühlt man sich vielleicht manchmal älter, als man ist. Dann braucht es einen Teamwechsel. Bereut hat er diesen Schritt nie. Obwohl: „In den ersten zwei Jahren habe ich mich manchmal schon gefragt, warum ich das gemacht habe. Denn genau in dem ersten Jahr nach meinem Ausstieg ist St. Pauli in die Zweite Bundesliga aufgestiegen.“

Das hat er verpasst. Im Mai 2024 ist der Verein in die Erste Liga aufgestiegen. Benjamin war dabei, als Zuschauer. Die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen, aber zurückschauen liegt ihm eh nicht. Macht auch keinen Sinn, der Ball muss ja nach vorn, ins Tor. Und in einem kreativen Ökosystem wie dem Verein „Viva con Agua“ ist eigentlich immer ein Ball da, den es zu spielen gilt. 20 Jahre macht er das schon. Langweilig wurde es nie. Seit 2009 trägt er für sein soziales Engagement das Bundesverdienstkreuz. Die jährliche Kunstmesse Millerntor Gallery im Pauli-Stadion und Toilettenpapier von Goldeimer gehören zum „Viva con Agua“-Kosmos inzwischen so selbstverständlich wie das Mineralwasser. Als Brand Leader baut er jetzt die Marke Villa Viva auf. In Hamburg und international, denn das Haus in Hamburg ist nicht das einzige seiner Art. Auch in Kapstadt gibt es eine Villa Viva. Allerdings ist sie kleiner, dafür ein Melting Pot an Kulturen. Hier, in der südafrikanischen Hafenstadt, ist der dreifache Familienvater während der Pandemiejahre
gestrandet. Seine jüngste Tochter kam in Kapstadt zur Welt.
Inzwischen lebt die Familie wieder in der Nähe von Hamburg. Das steinerne Baby im Münzviertel braucht Liebe und Aufmerksamkeit, damit es schnell sicher laufen kann. Derweil tänzelt Benjamin in seinem Kopf schon um den nächsten Ball herum. Er hat eine Idee. Sie ist kühn. „Aber gut. Ein Elfmeter. Den müssen wir spielen.“

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