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Müsste sie Hamburg verlassen, Heikedine Körting würde alles zusammenpacken, was ihr am Herzen liegt. Einen Rucksack würde sie tragen, dazu einen Koffer in jeder Hand, gefüllt mit Erinnerungen, die sie niemals zurücklassen würde – und die sie trotzdem in die Zukunft treiben würden. Das ist zum Glück nur Theorie und Körtings Antwort auf die Frage, die wir unseren Gästen in unserem Podcast immer zum Abschluss stellen. Aber ihre Antwort sagt eine Menge aus über Hamburgs Hörspiel-Königin, deren Produktionen für das Label Europa über 500 Millionen Mal verkauft wurden, die mit ihrer Arbeit unzählige Kinder und Jugendliche glücklich gemacht hat – und die am 18. Juni dieses Jahres ihren 80. Geburtstag feierte. Ihre Energie zieht sie aus langjährigen Beziehungen zu Familie, Freunden, Wegbegleitern, aus Erlebtem, Gewagtem und der Neugier darauf, was daraus in Zukunft noch werden kann. Das ändert sich auch mit 80 Jahren nicht. „Die Dinge müssen ja vorangehen und im Alter nicht weniger werden. Ein paar Highlights müssen noch kommen.“
Aufgewachsen ist Körting in Lübeck. Als Kind erkrankte sie an Polio. Lange lag sie bewegungsunfähig im Bett und hat sich dann zurück ins Leben gekämpft. Ihr Blick nach vorn, dieses „Es muss weitergehen“, kommt auch aus dieser Zeit. Die junge Heikedine machte sich Ende der 60er-Jahre auf nach Hamburg, um dort Jura zu studieren, zog als Untermieterin ein bei Andreas Beurmann. Der hatte kurz zuvor das Label Europa gegründet, sein Hörspiel-Studio befand sich damals noch in seinem Haus in der Agnesstraße. Das war der Beginn ihrer Karriere als Hörspiel-Königin – und einer sehr besonderen Liebesgeschichte. Andreas Beurmann und Heikedine Körting. Über 50 Jahre kannten sie sich, 37 davon waren sie verheiratet. 1973 übernahm Körting die nahezu alleinige Regie bei den Hörspielen. Bis heute erschienen unter ihrer Leitung 3000 Hörspiele. 180 Goldene und Platin-Schallplatten hat sie erhalten, und das Bundesverdienstkreuz hat man ihr auch verliehen. Die seit 45 Jahren produzierte Serie „Die drei ???“ hat mehr als 50 Millionen Tonträger verkauft und ist damit die erfolgreichste Hörspielserie der Welt, gefolgt von „TKKG“ mit rund 40 Millionen Tonträgern. Auch auf den Streamingportalen können sich ihre Arbeiten behaupten. Laut Spotify-Statistiken wurden „Die drei ???“ insgesamt rund 14,6 Milliarden Mal gestreamt (Stand März 2025). Unzählige Hits gehören und gehörten zum Europa-Portfolio: „Fünf Freunde“, „Benjamin Blümchen“, „Bibi Blocksberg“, „Hui Buh – das Schlossgespenst“, um nur einige wenige zu nennen. Die Zwillinge „Hanni & Nanni“ feiern 2025 ihren 53. Geburtstag. Die Reihe wird in diesem Jahr eingestellt.
Heikedine Körting aber macht weiter. Als Juristin mit Schwerpunkt Urheberrecht und mit den Hörspielen. Gerade haben Oliver Rohrbeck, Jens Wawrczeck und Andreas Fröhlich den „Die drei ???“-Adventskalender 2025 eingesprochen. Natürlich in ihrem legendären Europa-Studio in der Gründerzeitvilla in der Rothenbaumchaussee. Die Produzentin und Regisseurin ist bekannt für ihre handwerklich geprägte, detailverliebte Arbeitsweise, produziert ihre Hörspiele bis heute überwiegend analog und schwört auf klassische Bandmaschinen. Ihr Markenzeichen: die liebevolle Geräuschkulisse. Ihre Sammlung an Requisiten und Geräuschemachern ist beachtlich. Im Märchenschloss in Harvestehude schlägt das Herz des deutschen Hörspiels ungebrochen laut und kräftig. Leidenschaft und Lebenslust sind starke Motoren. Und die Liebe sowieso.
„Ein bisschen Filou war er früher, aber ich war auch ganz lustig unterwegs.“ Heikedine Körtings blaue Augen blitzen verschmitzt, wenn sie von Andreas Beurmann erzählt. Davon, wie sie auf dem Gut Hasselburg anfangs unter Klavieren geschlafen und auf ihnen gegessen hätten, weil dieser Mann für die Alltäglichkeiten des Lebens nicht geschaffen war. Wer braucht schon Stühle? Beurmanns Herz schlug für Tasteninstrumente, seine beeindruckende Sammlung steht heute im Museum für Kunst und Gewerbe. Sie haben sich wunderbar ergänzt, der kunstverliebte Beurmann und Körting, die die Lebenslust und Herzlichkeit ihrer Mutter und die Disziplin und Entscheidungsfreude ihres Vaters in sich vereint.
Ihr Lebensmittelpunkt war lange das Gut Hasselburg in Ostholstein. Hier gründeten sie den Kulturkreis Hasselburg e.V., veranstalteten Konzerte in der Scheune und setzten Impulse für das spätere Schleswig-Holstein Musik Festival. Nach Andreas Beurmanns Tod 2016 blieb sie noch eine Weile dort. Aber die Instandhaltung beider Wohnsitze, Hamburg und Hasselburg, war beschwerlich. „47 Jahre hatte ich in Hasselburg gelebt. Ich spürte, dass es an der Zeit war, zu gehen.“ 2023 verlegte sie ihren Lebensmittelpunkt zurück in die hamburgische Hörspiel-Villa in der Rothenbaumchaussee – und Richard Kochmann, den nahm sie mit. Da ist er, einer dieser Höhepunkte, die auch im Alter noch kommen dürfen. Kochmann hatte Heikedine Körting schon vor über vier Jahrzehnten einen Antrag gemacht.
„Aber der Beurmann war vorher da.“ Die beiden blieben eng verbunden. Lebensfreunde. 47 Jahre später sagte sie zu ihm: „Vielleicht kannst du dich erinnern, du hast mich gefragt, ob ich dich heiraten will, und das möchte ich jetzt.“ Kochmann, so scheint’s, erinnerte sich. Auf jeden Fall sagte er Ja. 2024 heirateten sie. Die Ehe, sagt sie, tue ihm gut. „Es geht nur noch aufwärts.“ Lange Reisen in ihr geliebtes Italien wird es zukünftig wohl weniger geben. Dafür klopfen neue Projekte an. Körting plant, einen Film zu produzieren. Die Idee dafür hat sie schon lange im Kopf. Ein Leben wie ein Hörspiel. Man freut sich auf jede neue Folge.












