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Zora Klipp

QUATSCHEN & KOCHEN

Text: Regine Marxen | Fotos: Uta Gleiser

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Diesen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe 61

Still sitzen und vor sich hin tüfteln war nie ihr Ding. „Ich musste schon als Kind immer etwas zum Basteln und Malen haben“, sagt Zora Klipp. „Dinge, die Krach machen, produktiv sind.“ Die TV-Köchin und Buch­autorin mag es also auch mal wuselig. Es darf gern etwas passieren in ihrem Leben. Im Moment passiert da ziemlich viel.

Im Juni dieses Jahres (2023) eröffnete die 33-Jährige ihr erstes Restaurant. Sie hat die Räume der ehemaligen Kultbar „Saal II“ am Schulterblatt 83 übernommen. Eigentlich ist es ihre zweite Location, aber die „Weidenkantine“ in der Weidenallee 61 ist genau genommen mehr Café und Bistro als Restaurant. „Blattgold“ heißt das neue Lokal und bietet neben gut kuratierten Drinks vegan-vegetarische Küche. Oder besser: wollte bieten. Denn die Küche bleibt vorerst kalt. Feuchte Wände, marode Bausubstanz, Schimmel, Stress mit dem Vermieter, Baustillstand, Kochpause. Ungefähr so lässt sich die Story hinter dem Schild mit der Aufschrift „Irgendwann ist hier ein richtiges Restaurant“ zusammenfassen. Es hängt rechts über dem Tresenbereich. Nach Tränen, Zoff und Pannen kam jüngst dann doch Bewegung in die Sache, und der Bau wird fortgesetzt. Wann es in der Küche brutzeln wird, das ist noch ungewiss. Die Bar aber läuft bereits, und Zora Klipp hat sich nach ihrem Stimmungstief fix wieder berappelt. Die Frau ist gut im Nehmen. „Da muss man durch.“ Glücklicherweise muss sie das nicht allein. Genau wie die „Weidenkantine“ ist das „Blattgold“ ein Geschwisterprojekt. Zoras jüngere Schwester Ronja übernimmt die Buchhaltung und das Zahlenwerk, ihr älterer Bruder Oliver ist Gastro-Concept-Entwickler und sorgt unter anderem für das Gestalterische. Zora Klipp ist das Gesicht nach außen und schmeißt die Küche. Diese Arbeitsteilung hat bereits in der „Weidenkantine“ hervorragend funktioniert. Woher die Liebe zur Gastronomie in der Familie kommt? „Das weiß niemand“, sagt sie lächelnd und zuckt mit den Schultern.

Was man aber weiß, ist, dass Zora Klipp eigentlich aus Zeven kommt und seit fünf Jahren in der Hamburger Schanze lebt, ihrem persönlichen Happy Place. Man weiß, dass ihre Liebe fürs Produktive sie schon früh in die Küche zog, die Arbeitsbedingungen sie nach der Ausbildung als Köchin von dort vertrieben. Sie mochte schon immer exotische Supermärkte, reiste durch die Welt, holte das Abitur nach – bis eines Tages Fynn Kliemann anrief und sie zu sich ins Kliemannsland holte. Es folgten TV- und YouTube-Formate für funk, später für NDR, ZDF und WDR und Kochbücher. Zu Beginn, sagt sie, hätte sie sich einfach gedacht: „Ich kann quatschen, ich kann kochen.“ Heute weiß sie: „Ich kann mehr. Und ich will mehr!“ Die „Weidenkantine“, die sie seit 2020 führt, wäre ein super Einstieg gewesen, um das Gastro-Business besser kennenzulernen. Jetzt sei sie bereit für das richtige Restaurant.

Ihre Kochkunst hat sie in den letzten Jahren verfeinert. Es ist eine Evolution der klippschen Art, vom Kater-Kochbuch zur vegan-vegeta- rischen Genusswelt mit Raum für Experimente. Sie selbst liebt alles in Teig Verpackte und mit Teig Gemachte. Innereien hasst sie, Blauschimmelkäse meidet sie, Leberwurst, die grobe, liebt sie. Letztere wird im „Blattgold“ wohl keine Zukunft haben. Stichwort fleischlose Küche. Die TV-Köchin setzt auf ein Zukunftsthema und will damit eine Nische besetzen, die in der Hamburger Gastronomieszene noch wenig ausgelotet zu sein scheint. Anspruchsvoll wird die Küche sein, das Ambiente trotzdem gemütlich. „Es soll hier eine Heimat auch für Hamburgerinnen und Hamburger geben, die inmitten des Partytreibens in der Schanze einen Ort zum Verweilen suchen.“ Puh. Also kein neuer Schickimicki-Laden für betuchte Touris. Der Charme des „Saal II“ mit seinen Jugendstilelementen, mit den alten Fliesen an der Wand und den großen Fenstern, bleibt erhalten. Aber Mobiliar und Lampen werden Stück für Stück erneuert. Leben ist Transformation, das macht auch vor Kultkneipen nicht Halt.

Vor Köchinnen auch nicht. Zora Klipp jedenfalls befindet sich mittendrin. Ihr neues Kochbuch ist gerade erschienen, und während die Autorin an ihrer neuen Visitenkarte in der Schanze feilt, hält ihr ihre Assistentin den Rücken frei. Fragen? „Wendet euch an meine Assistentin.“ Den Satz zu sagen, sei anfangs ungewohnt gewesen. Inzwischen fühlt sich das für Zora gut an. Und richtig. „Ich bin klippo“ hieß beim Fangen auf dem Schulhof früher so viel wie: „Ich habe Pause.“ Auch eine Zora Klipp braucht ihre Klippo-Zone. Ein wertvolles Learning, ebenso wie die Nachhilfe in Sachen Geduld, die das Leben ihr gerade gibt. Ungefragt, aber so handhabt es dieses Ding namens Schicksal ja gern mal. Im „Blattgold“ mag es langsamer als geplant vorangehen, der Lack ist jedenfalls noch lange nicht ab. Im Gegenteil, hier geht’s jetzt erst richtig los.

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