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Kaviar Reloaded

ALTONAER KAVIAR IMPORT HAUS

Lass das Salz weg, nimm Kaviar! Markus Rüsch ist angetreten, die Einstellung zum Kaviar nachhaltig durchzulüften. Angefangen hat der Inhaber in der Familienfirma: 100 Jahre wird das Altonaer Kaviar Import Haus 2025, Zeit, alte Vorurteile zu pulverisieren und die Ära der neuen Kaviarfreiheit einzuläuten.

Text: David Pohle | Fotos: René Supper

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Diesen Artikel finden Sie in Ausgabe 67

Schmarjestraße 44. Um die Ecke der Bahnhof und repräsentativer das Rathaus Altona, die Elbe, der Hafen nicht weit. Dieses Haus hier muss man finden wollen oder schon kennen, kein Schild an der Tür, aber frische Farbe und ein fettes Jahrhundert Firmengeschichte. 2025 wird groß gefeiert, wenn es nach Markus Rüsch geht, dem Inhaber des seit Beginn in Familienhand befindlichen Unternehmens, am besten mit Kaviar satt und Dosenbier. Dosenbier? Yep, das ist die neue Kaviarfreiheit, mit der AKI vor allem das eigene Geschäft mächtig durchgelüftet hat.

Mit Max und Anne Schuldt fing die Story eines der ältesten Kaviarhäuser der Welt genau hier an, Max kaufte im Hafen das schwarze Gold der Zaren von russischen Seeleuten, Anne radelte die Ware aus, wohnen taten sie hier. 1963 übernahm Neffe Gustav, gelernter Landwirt, und baute das Unternehmen mit Johanna stetig aus. Fotos auf der Website zeigen beide Paare genau vor der Hausnummer 44, das die Eltern von Markus gekauft hatten. 

In den 90er-Jahren reiste er mit seinen Eltern noch nach Astrachan, und es wurde eingekauft, wenig später brach der Kaviarmarkt zusammen, die Störbestände waren nahe Null, und man sah wenig Zukunft mehr für den Kaviarhandel. Anfang der 2000er-Jahre übernahm Markus dann allein die Geschäftsführung. Die Voraussetzungen waren bescheiden, die Bilder von gemeuchelten, letzten Wolga-Stören hatten Kaviar endgültig zu einem No-Go-Produkt gemacht, der große Fisch, König des Kaspischen Meeres, hatte wie die Gänse, deren Lebern gestopft wurden, keine Lobby mehr, die Zeit der Wende, das Ende der Sowjetunion, ­Anarchie überall.

2010 kam das längst überfällige Verbot für Stör aus Wildfang.
Das frühe Setzen auf Aquakulturen war ein Booster, die Kaviarrevolution aus der Schmarjestraße hatte den Weg für die Zukunft geebnet. „Anfangs wussten die Züchter überhaupt nicht, wie Kaviar schmecken soll, die Fische lagen im Brackwasser, waren ungenießbar. Wir haben Experten vom Kaspischen Meer eingeladen, die den Züchtern gezeigt haben, wie es geht: In der Wildnis essen Weibchen wochenlang nicht, schwimmen Flüsse hoch, laichen dann in eiskalten, sauberen Wassern, wie Detox für Störinnen quasi. Das machen wir jetzt künstlich, um den Fisch auf seine letzten Stunden vorzubereiten.“ 

Und dann geht es schnell: Fisch tot, Fisch auf, Rogen raus, Salz dazu, abfüllen, fertig.
Geschlachtet wird in Wöhrden in der Nähe von Heide, morgens kommt die Rohware in 1,8-kg-Dosen nach Altona. „Wir haben inzwischen fast 50 Mitarbeiter an zwei Standorten, die Herzblut, Expertise und meistens auch ganz gute Laune mitbringen.“ Und dann wird mit schnellem Durchlauf nur auf Bestellung jede Dose per Hand gefüllt, verpackt und zum Versand vorbereitet.

„Guter Kaviar, die Spitzenqualität, die wir haben, riecht frisch, schmeckt auch so, glänzt mit vielen Aromen, kommt nie streng, vielleicht ein wenig salzig und hat einen glänzenden Spiegel. Festes Korn und fällt nicht aus der offenen Dose, wenn sie umkippt.“, erklärt Markus. „Augen schließen, eine frische Brise Nordseeluft einatmen und in Gedanken über die See gucken – das ist Kaviargeschmack für mich“, so hat er es auch seiner Werbeagentur in die Feder diktiert. 

Der Stör wäre vermutlich ausgestorben, jetzt erholen sich die Bestände vorsichtig. Geschmuggelter Kaviar ist illegal. Jeder Händler weiß das. „Und“, ergänzt Markus, „die Fische aus Kulturen sind qualitativ inzwischen besser und günstiger. Fische, die nicht geschlachtet werden, werden in ursprünglichen Lebensräu­men ausgesetzt. Da es sechs bis 20 Jahre bis zur Schlachtung dauert, ist der Stör – hofft Markus – irgendwann keine bedrohte Tierart mehr.“

„Inzwischen“, sagt Markus, „ist Kaviar ein Ganzjahresgeschäft, es gibt Ups and Downs. Und wenn schon eine Papaya auf dem Flottbeker Markt 12 Euro kostet, was sind dann 50 Euro für ein Gläschen Kaviar?“ Das sei zwar teurer als Leberwurst, aber niemals dekadent. 

Die Frage, seit wann der Chef dieser Kaviar­familie Kaviar mag, hätte ich mir sparen sollen. „Wir waren als Kinder früher häufig auf dem Land in Schleswig-Holstein, da haben wir morgens frische Brötchen mit ordentlich Butter und einem gehörigen Schlag Kaviar bekommen. War köstlich, brauchst ja nicht kauen. Schätze, ich war zwei, geht auch noch mit 90“, erfreut sich Markus der Kindheits­erinnerung. Und heute? „Ich ja auch pur, aber Ei ist gut, Blinis, Schmand, Kartoffeln sind super, als Püree, zum Beispiel mit Spiegelei beim Lieblings­italiener, musst ja auch nicht kochen können für. Alles, was gut mit Trüffeln geht, geht auch mit Kaviar.“  Und was trinkt er dazu? „Kalte Dose Bier ist prächtig, Süßwein auch. Ich selbst finde ja, Champagner-Perlen haben zu viel Säure, und wenn ich Wodka zu jedem Löffel nehme, ist das auf Dauer zu ungesund“, und irgendwie blitzen seine Augen verschmitzt. 

Während wir sprechen, kommen telefonisch Aufträge. Cornelia Poletto, Spitzenköchin, möchte eine größere Dose. Kein Thema, wird frisch abgefüllt und dann ab nach Eppendorf dafür.
„Wir achten natürlich auf die Optimierung der Prozesse. Aber nicht, um Kosten zu reduzieren, sondern um die Qualität immer zu verbessern. Das ist sehr arbeitsintensiv, mit schwieriger Planung, wo wir wenig bis nix vorbereiten können“, ergänzt Markus.

„Austern zum Beispiel“, fährt Markus fort, „gibt’s als herrliches Naturprodukt am Hafen oder auf Märkten, lässig, pur, nicht teuer. Da sehe ich Kaviar auch. Und dass Kaviar teuer sein muss, ist Bullshit“, ereifert er sich.
Und am Ende sind die Dinge doch immer ganz einfach. Der beste Kaviar ist der, der dir schmeckt. So eben.

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