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PlewkART

ROCKSTAR & SONGPOET

Text: Regine Marxen | Fotos: Jan Northoff

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Diesen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe 63

Seit dem Neujahrstag ist Jan Plewka die ganze Zeit aufgeregt. Ein Bündel von Möglichkeiten lag vor ihm. Konzerte mit seiner Band Selig, die Fortsetzung ihrer 30-Jahre-Jubiläumstour. Auftritte mit seinem langjährigen Freund und Gitarristen Marco Schmedtje mit den gemeinsamen Programmen „Between the Bars“ und „Between the 80s“. Auch mit der Schwarz-Roten Heilsarmee, seinem sehr erfolgreichen Rio-Reiser-Musiktheaterprojekt, ist er 2024 viel unterwegs. Zahlreiche Kunstausstellungen stehen in seinem Kalender, in Berlin, Hamburg, Kiel. Kunst? Richtig gelesen. Jan Plewka malt – und in seinen Bildern fließt zusammen, was lange nach einer Form gesucht hat. Am Ende klingt alles zusammen.

Wenn Plewka singt und dabei die Augen schließt, sieht er Farbe. Eigentlich begleitet die Malerei ihn schon lange. Vor seiner Musikkarriere machte er an der Fachoberschule in Hamburg seinen Abschluss in Grafik und Design. „Den Eltern zuliebe“, sagt er. Text, Musik und Malerei sind die drei Grundakkorde von Jan Plewka. Der letzte Akkord schwingt bisher nur leise mit. Für die beiden anderen ist er bekannt. Seine Rockband Selig prägte den Sound der 90er-Jahre. Dass deutsche Texte so international klingen können, sorgte für

Furore. Ende der 90er-Jahre löste sich die Band auf, Plewka arbeitete nach einer kurzen Pause
in verschiedenen Bandformationen weiter. 2008 feierte Selig Reunion und setzte die Erfolgsserie bis zur umjubelten Jubiläumstour fort, die in diesem Jahr weitergehen wird. Ein wilder Ritt mit Höhen und Tiefen. Jan Plewka „muss sich produzieren“, wie er selbst sagt. Da ist viel in ihm, das muss raus. Die Musik und das Musiktheater sind sein Ventil, aber da war immer eine Lücke. Dann kam Corona und mit dem Virus der Stillstand. Und Jan Plewka hat sich ein Stück weit neu entdeckt.

„Gebt ihm Farbe und lasst ihn malen. Das hat ihn immer glücklich gemacht“, sagte seine Mutter zu Anna, seiner Frau. Jan Plewka war an Covid-19 erkrankt. Vollblockade, innen wie außen. Kein Austausch, kein Output. Nur Sein. Für einen Menschen wie ihn ist das schwer zu ertragen. Er drohte, in Melancholie zu versinken. Anna hat den Rat ihrer Schwiegermutter befolgt. Seit mehr als drei Jahrzehnten sind die beiden ein Paar, vier Kinder haben sie zusammen. Man könnte sagen, sie gehört zu seinen Grundakkorden. Jan Plewka begann zu malen. Bäm.

In seinem Haus in Ahrensburg hat er sich im Erdgeschoss ein kleines Atelier eingerichtet. Hier arbeitet er, mit Blick in den Garten und auf die zahlreichen Stifte, die an Bindfäden von den Baumästen herabhängen. Ihre Spitzen berühren das darunter liegende Papier. Vom Wind getrieben, zeichnen sie Linien auf den weißen Untergrund. „Sie zeichnen den Wind“, sagt Plewka mit Begeisterung in der Stimme. Seine Malerei bewegt sich zwischen Raw Art und abstrakter Kunst. Farbintensiv, verspielt und Geschichten erzählend. Plewka­ visualisiert seine Songtexte, und was der Wind hier zu Papier bringt, wird am Ende ein postkartengroßes Bild sein, auf dem seine Figur „Die schlaksige Windin“ zu sehen ist.

Gemalt ist es in Acryl, ein QR-Code auf der Rückseite führt zum gleichnamigen Lied. Plewcard nennt er das Projekt, das Teil eines groß angelegten Kunstprojekts ist, bei dem auch die Musik eine wichtige Rolle spielt. Während der Corona-Zeit bereitete Plewka sein Soloalbum vor. Die Texte sind ein Sammelsurium seiner privaten Notizen der letzten Jahre. Phrasen, Wortspiele, Poesie. „Verrücktes und Gutes, das ich nie veröffentlicht habe.“ Von diesem Album gibt es bereits Demoversionen einzelner Songs, seit Januar veröffentlicht er jeden Monat einen – via Plewcards. Wer eines der Unikate kauft, hält nicht nur ein individu­elles Kunstwerk in den Händen, sondern auch den Zugang zu einem der Songs. Hören kann man ihn nur auf diesem Weg, 20 Euro kostet eine Karte. Dahinter steckt ein großes Ziel: Alle Einnahmen fließen in die Finanzierung einer Live-Aufnahme von Plewkas Soloalbum mit Gästen. Diese findet im Januar 2025 im legendären Studio Nord in Bremen statt, und wer ein Kunstwerk erwirbt, unterstützt nicht nur die Albumproduktion, sondern sichert sich auch einen der exklusiven Gästeplätze für die Aufnahme. Im Juli dieses Jahres endet die Kunstaktion mit der Veröffentlichung des siebten Plewcard-Songs.

Wenn es gut läuft, wird Jan Plewkas Solo­album im Januar 2025 erscheinen. Dieses Pro­jekt treibt er bewusst abseits seiner bestehenden und gewachsenen Verbindungen in der Szene voran. „Ich wollte die anderen nicht mit reinziehen“, sagt er lachend. Oder anders: Es soll sich etwas Eigenes entwickeln, das für sich steht. In diese Idee fließt viel Energie. Wenn seine Selig-Bandkollegen nach dem Konzert noch einen Drink genießen, sitzt Plewka schon im Hotelzimmer und bastelt an Pop-up-Plewcards. Wird die Malerei 2025 in seiner Lebensmelodie wieder verstummen? „Nein“, sagt Plewka. „Ich male schon jetzt nicht nur Grußkarten, sondern auch andere Bilder. Die Malerei bleibt. Ich habe sie lange vermisst.“

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