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Porträt –

Meute

 

 

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AUTORIN: REGINE MARXEN

FOTOS: JENNIFER SCHMID

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Diesen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe 40

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Eine erstaunliche Erfolgsgeschichte, die Thomas Burhorn und seine Jungs in den letzten zwei Jahren geschrieben haben. Ein Spielmannszug, der mit Techno-Beats die Bühnen in Deutschland und Europa entert, dessen erstes Video im Netz quasi viral geht, der im Sommer 2017 auf nahezu allen großen Open-Air-Bühnen und im Frühjahr dieses Jahres in Austin, Texas, auf dem „South by Southwest“-Festival spielte. Für Meute, dieses lautstarke, elfköpfige Konglomerat aus Bläsern und Percussionisten, geht’s unverändert steil nach oben. Klingt skurril. Wie kann das sein? „Weil die besten Ideen, die simplen und die besten Storys schnell zu erzählen sind“, antwortet Thomas Burhorn. Ein leicht amüsierter Unterton schwingt in seiner Stimme mit – diese Frage hört er nicht zum ersten Mal.

 

„Meute ist eine Techno-Marching-Band. Mehr braucht es nicht, um den Erfolg zu erklären. So einfach ist das.“


Nun ja, ganz so einfach ist es dann doch nicht. Denn was ist eine gute Story schon wert, wenn sie niemand erzählt? Und das bitte gekonnt, mit Herz, aber eben auch mit einem wohlüberlegten Plan im Kopf. So wie Meute-Mastermind Thomas Burhorn es tut. Der 42-Jährige ist das, was man einen Strategen nennt. Das liegt nicht zuletzt an seinem breit aufgestellten, beruflichen Background. Thomas ist studierter Jazztrompeter, Kulturmanager und lehrt als Dozent an der Hochschule für Musik und Theater Selbstmanagement. Er arbeitete bereits mit Künstlern wie Juli, Cäthe, Kettcar oder Fettes Brot und spielte in der in Hamburg beliebt-berüchtigten Marching Band Tätärä. Doch auch die Werbebranche ist ihm nicht fremd. Für Hastings media music war er rund vier Jahre als Lizenz- und Sound Branding Manager unterwegs und leitete Musikproduktionen für Marken wie BMW oder Lufthansa. Der Mann wechselt gern mal die Filterblase, er bringt Dinge zusammen, vermischt die Ebenen. So ist es denn auch nicht verwunderlich, dass das Herz von Meute nicht in einem kuscheligen Studio oder Proberaum beheimatet ist, sondern an einem gut aufgeräumten Schreibtisch im Coworking Space betahaus im Schanzenviertel – inmitten von Start-ups und freien Kreativen. Aber dieser Ort passt, zu Thomas und zu Meute. Denn im Grunde ist diese Band auch eine Art Start-up – nur mit ganz eigenem Beat.


Geboren wurde die Idee von Meute 2014 in einem Berliner Club. Laut wummerte der Techno-Sound; Thomas stand da, fühlte den Rhythmus und die Energie dieser Musik, schaute hoch zum DJ-Pult und dachte sich: Eigentlich müsste da oben mehr los sein. Wie wäre es, wenn eine Blaskapelle dort stünde und live raven würde? Das war der Beginn. Der Trompeter arrangierte daheim an seinem Computer einzelne Cover-Songs und stellte das Ergebnis dann befreundeten Musikerkollegen vor. „Sie reagierten anfangs oft irritiert auf diese Idee. Aber glücklicherweise sind Musiker in Hamburg, wie eigentlich überall, immer offen und unterstützen einander.“ Er trommelte eine elfköpfige Band aus Bläsern, Percussionisten und Schlagzeugern zusammen und gab ihr den Namen Meute. Gemeinsam coverten sie bekannte Techno-Tracks. Thomas erinnert sich noch gut an die ersten Proben, damals im Herbst 2015 im Zwischengeschoss-Studio in Hamburg-Altona. „Es war für uns alle schon sehr ungewohnt, immer die gleiche Klangfolge zu spielen. Und wir fragten uns schon, ob das für das Publikum nicht irgendwann anstrengend oder einschläfernd wirken würde.“

 

Diese Sorge war unbegründet: Schon kurz nach der Bandgründung veröffentlicht Meute 2016 ihr erstes Video: eine Street-Gig-Version des Deep-House-Klassikers REJ vom Berliner DJ-Duo ÂME, gedreht in der Schanze. Schnell ist klar: Langweilig ist hier niemandem. Das Video zählt auf YouTube bis heute rund 572.000 Klicks, auf Facebook über 800.000. Meute wird zum aufstrebenden Star der Hamburger Musikszene. Wo diese Band auftritt, schnellt der Gute-Laune-Pegel bis zum Anschlag, egal, ob sie bei der Eröffnung der Elbphilharmonie-Plaza, in der Staatsoper oder auf dem mit 85.000 Besuchern ausverkauften Berliner Lollapalooza-Festival spielen. Das Ding rollt – auch, weil Mastermind Thomas Burhorn die Zügel fest im Griff hat. In knapper Folge veröffentlicht die Band weitere Videos, und auch beim Outfit wird nichts dem Zufall überlassen. Zum typischen und unverzichtbaren Meute-Accessoire gehört die rote Spielmannsuniform-Jacke mit goldenen Kordeln und Knöpfen, die allerdings lässig offen zu einem unifarbenen Shirt und zur Jeans getragen wird. Und über all diesem schwebt das Logo, eine Art Siegelschild, in welchem die Buchstaben des Bandnamens geschickt miteinander verwoben sind.


Keine Frage, Thomas Burhorn weiß, was er tut. Dennoch, betont er, sei Meute für ihn ein Herzens- und kein kalkuliertes Projekt, auch wenn er das Potenzial dieser Band von Anfang an erkannt habe. „Ganz ehrlich: Sonst hätte ich diesen ganzen Aufriss nicht gemacht. Ich meine, elf Leute miteinander zu koordinieren, die nicht nur Meute machen, sondern auch andere Projekte haben, eben gestandene Musiker und Persönlichkeiten sind, das ist Arbeit.“


Arbeit, gutes Stichwort. Im vergangenen Jahr hat Meute eine stattliche Anzahl von 130 Auftritten hingelegt. Das klingt anstrengend, das ist anstrengend. Aber macht, scheint’s, eine Menge Spaß. „Wir waren auf dem Dockville, da gab es uns erst ein halbes Jahr, und wir wurden so abgefeiert. Das war Wahnsinn. Und wir haben in einem Pariser Club gespielt. Da waren knapp 1000 Leute, die wild durchgedreht sind“, erinnert sich Thomas. Und fügt hinzu: „Das Schöne ist, dass Meute überall spielen darf. Wir passen überall hin – und gleichzeitig irgendwie doch nicht. Sind wir in einem Jazzclub, passen wir nur so halb, und auf einem Rave ist das ebenso. Wir spielen mit den Brüchen, mit uns wird es nie langweilig.“ Wirklich? Wie lange kann eine Band wie Meute touren, ohne sich selbst irgendwann ständig zu wiederholen? Was passiert, wenn man nicht mehr das Prädikat „neu“ trägt? Thomas schüttelt den Kopf und seufzt leise. Was für eine Frage. „Für uns“, sagt er mit Nachdruck, „sind alle Wege offen. Meute hat dadurch, dass wir uns auf eine Idee begrenzt haben, einen bunten Strauß von Möglichkeiten, in die wir uns entwickeln können. Anfang des Jahres ist zudem unser erstes eigenes Album ,Tumult‘ herausgekommen. Das entwickelt sich ganz gut, obwohl wir in erster Linie sicherlich als Live-Act wahrgenommen werden. Wir spielen außerdem mit dem Gedanken, eigene Songs zu schreiben. Und natürlich werden wir weiterhin mit Künstlern im elektronischen Bereich zusammenarbeiten.“ Dennoch, gibt er zu, wird 2018 ein spannendes Jahr für Hamburgs erste Techno-Marching-Band. „Wir müssen jetzt richtig Gas geben, ’ne Schippe drauflegen, abliefern und präsent sein.“ Ein Blick auf den ansehnlichen Tour- und Konzertplan 2018 zeigt: Dieses Vorhaben ist bereits in vollem Gange. Die Schweiz, Frankreich, England oder Budapest stehen auf dem Programm. Fürs Erste. Denn Thomas Burhorn wäre nicht Stratege, der er ist, wenn er nicht mit der Meute im Herzen weiter denken würde. Viel, viel weiter. „Wenn wir am Ende alle Kontinente bereist haben, das wäre schon nicht schlecht.“

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