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Witwenball

SPOTLIGHT WEIDENALLEE

Text: Andrea Hacke | Fotos: Giovanni Mafrici

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Diesen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe 64

550 WEINE finden sich in diesem Restaurant, fast alle aus Europa und abseits vom Mainstream. Sommelier Axel Bode ist zu Recht stolz auf seine Sammlung. Aktuell Silbermedaillengewinner für die beste österreichische Weinkarte außerhalb Österreichs. Oida! „Alle achten immer nur aufs Bio-Essen“, sagt Axel. „Warum lässt der Anspruch beim Wein nach? Bei uns wird jeder Wein handwerklich hergestellt,
Industrie-Plörre kommt mir nicht ins Haus.“ 

Als Julia und er vor elf Jahren in der Weidenallee starteten, erkundigten sie sich nach der Vergangenheit des Hauses: In den 20er- bis 80er-Jahren gab es hier ein Tanzlokal namens „Witwenball“. Eine fortschrittlich denkende Frau namens Elfriede wollte nach dem Krieg allen Witwen in Hamburg die Möglichkeit geben, hier zu tanzen und sich vielleicht noch mal neu zu verlieben. Dolle Geschichte! Den Namen wollten beide wieder aufleben lassen und erhielten von Elfriedes Tochter ihren Segen dazu. 

Seit Eröffnung steht ihr Restaurant für hochwertige Küche in schicker Wohlfühlatmo­sphäre. „Es sollte ein Laden werden, in dem wir selbst gern essen würden“, erzählt Julia, die das gesamte Backoffice organisiert. „Und so wie unser Geschmack sich weiterentwickelt hat, ist auch der Laden gewachsen.“ Das Handwerk­liche war dem Paar schon immer wichtig, selbst an der Bar gibt es keinen Aperol Spritz, sondern Spirituosen einer kleinen Destille. Über die Zeit sind sie in der Küche mutiger und noch anspruchsvoller geworden. Weiterhin gibt es aber sonntags das Wiener Schnitzel – schon für die Nachbarn in der Straße. 

Den Standort lieben beide. „In der Weidenallee geben die Inhaber einfach alles für ihre Läden“, sagt Axel. Unter dem Arbeitstitel „Slow City“ plant Julia gerade eine Interessengemeinschaft der Weidenallee – zusammen ist das Leben leichter. Der „Witwenball“ hat sich auch bereits mit anderen Individual-Gastronomen verbunden. Sie tauschen sich aus über Buchhaltung, Steuerberatung, den Einkauf und suchen kostensparende Synergien. Julia und Axel sehen Kollegen nicht als bedrohliche Konkurrenz. „Man kommt weiter, wenn man nicht gegeneinander kämpft, sondern füreinander da ist“, sagt Julia. Eine andere Haltung würde in diese wunderbare Straße auch gar nicht passen.

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