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Spotlight –

Rund um den Michel

AUTORIN: SIMONE RICKERT   

FOTOS: RENÉ SUPPER

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Diesen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe 43

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Die niedlichste Gasse Hamburgs. 1676 erbaute die wohlhabende Zunft der Kramer, sie verkauften Gewürze, Eisenwaren und Seidenstoffe, die Fachwerkhäuser als Freiwohnungen für die Witwen ihrer verstorbenen Amtsbrüder. Was heute winzig anmutet, war damals nicht schlecht: eigene Wohnung, drei Etagen, gute Stube und dazu eine Rente. Hamburger wie Touristen kommen her, einige übersehen die kleine Gasse zwar beinahe, weil der Eingang vom Vorderhaus aus so unscheinbar ist. Aber wer ihn findet, ist entzückt: Das kleine Museum, ein Gewürzhändler, Tee- und Bonbon-Laden, echte Raritäten entdeckt man im Antiquariat von Herrn Pabel.

 

„Viele kommen hier rein und sagen: Das sieht ja aus wie bei Harry Potter in der Winkelgasse“, sagt Yvonne. So etwas Ähnliches gibt es noch in Bremen im Schnoorviertel, in Celle oder Amsterdam, aber nicht in Hamburg. Diese Gasse hat schon alles überlebt: zwei Michelbrände, zwei Kriege. Dem Ehepaar ist wichtig, dass die denkmalgeschützte Substanz erhalten bleibt. Klopft man an die Wand, hört man zwischen den Balken des Fachwerkgerüsts die Strohfüllungen. 

Die Küche ist unterm Dach: gutbürgerlich auf hohem Niveau. Dort wird alles frisch gekocht, die Karte ist übersichtlich und saisonal. Marco Tepels Lieblingsgericht ist die Scholle – oder Pannfisch. Für Yvonne im Winter Roulade. Verständlich, sie führt schon viele Jahre ein Sushi-Restaurant im Alstertal. Er war 23 Jahre in der Hotellerie weltweit unterwegs, doch die Sehnsucht nach der Heimat packte ihn. Beide sind waschechte Hamburger. Als ihnen das Objekt zur Übernahme angeboten wurde – so etwas wird normalerweise nur vererbt – haben sie sofort zugesagt. Neu kann jeder, aber sie wollten etwas mit Charme und Geschichte. Seitdem hat sich innen viel verändert. Die antike Inneneinrichtung kommt aus ihrer Familie. Fotos und Gemälde zeigen ihre Mutter, ihren Urgroßvater, Kerzenständer, prachtvolles Geschirr. Der Stil passte einfach perfekt. Das Essen in einer so gemütlichen Atmosphäre finden beide toll, auch wenn sie nicht mehr so wohnen würden. So geht es sicher den meisten Gästen. Es ist einfach gemütlich, romantisch: „Sie glauben gar nicht, wie viele herkommen, um einen Heiratsantrag zu machen.“

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