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Spotlight –

Rund um den Michel

Old Commercial Room

AUTORIN: SIMONE RICKERT   

FOTOS: RENÉ SUPPER

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Diesen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe 43

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Am Captain’s Table empfängt Reinhard Paul Rauch mit einer dicken Romeo y Julieta in der Hand. Brennt natürlich fast nicht, Zugeständnis an moderne Zeiten, die Raucherlounge ist oben auf dem A-Deck … Um den schweren Mahagonitisch und im ganzen Restaurant hängen maritime Motive und unzählige Fotos von hier gewesenen Promis dicht an dicht. Eingerichtet nach dem Vorbild des 1795 von einem englischen Reeder gegründeten Old Commercial Room, damals an den Vorsetzen. Der wurde 1943 von der ersten Bombe zerstört, die auf Hamburg fiel, erzählt Herr Rauch. 1970 hat er mit seinem Vater Paul an diesem Ort eröffnet und den Namen übernommen. 

Echte Hamburger, der Junior aufgewachsen Ecke Reeperbahn, Hamburger Berg, über dem Spielcasino, das sein Vater betrieb, mit Restaurant, Tanz und „Mäuschenbar“. Um rauszukommen, ist er als Junge zur See gefahren, für eine Reederei die Westafrika-Route: „Einmal und nie wieder, schlimmer wie Knast.“ Trotzdem mag er alles Maritime, vor allem Labskaus. Das stand von Anfang an auf der Karte, und zwar nicht als kurioses Reste-essen unten links, sondern als Spezialität. Von seinen Gästen am Walfänger-Stammtisch – früher waren es 50, heute noch drei – weiß er, dass das die wahre Prüfung für den Smutje war. Das musste der auf der Rückreise kochen, wenn alle frischen Vorräte aufgebraucht waren. Und nur wenn es lecker war, durfte er zur nächsten Reise wieder mit. Rauchs Stammgäste kommen deswegen jedenfalls immer wieder. Das Rezept ist geheim, das richtige Verhältnis von Pökelfleisch zu Kartoffeln macht’s, wirklich wichtig ist: „Fisch gehört da nicht rein! Davon hatten die Seeleute schon genug.“ Die richtigen Gewürze, zwei Spiegeleier obendrauf, Rote Bete und Salzgurke dazu. So ist das Original. Wenn seine Gäste möchten, bekommen sie natürlich einen Matjes dazu – aber auf einem extra Teller. Mit den „Old Commercial Room“-Labskaus-Dosen hat er übrigens nichts mehr zu tun, nur leider mal die Namensrechte verkauft: „Die schmecken scheiße.“

Wer sich ans Labskaus nicht recht herantraut, bekommt ein kleines Probiergläschen. Damit hat er sogar Mario Adorf und seine italienische Familie rumgekriegt. Anekdoten über seine prominenten Gäste könnte er tagelang erzählen. „Wenn Helmut Schmidt kam, und er war bestimmt über 50-mal hier, sagte er immer, ‚Herr Rauch junior, würden Sie bitte mal zu uns an den Tisch kommen?‘ Und dann habe ich meine Geschichten erzählt.“ 

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