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Spotlight –

Klosterallee

AUTORIN: SIMONE RICKERT   

FOTOS: JULIA SCHWENDNER

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Diesen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe 44

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KEIN STEIN gleicht jemals einem anderen. Das lernt man schnell in der Goldschmiede von Thomas Wilhelm. Auch wenn der Blick durch die Lupe für den Laien wenig aufschlussreich ist, jeder Stein hat seine Geschichte, seine Herkunft, seinen Schliff. Knapp dreißig Jahre Erfahrung hat Thomas mit seiner Kunst. Klassische Formen inspirieren ihn, alte Techniken werden in seiner Werkstatt modern umgesetzt. Die Stücke aus seiner Hand wirken dadurch wundervoll zeitlos. Die Chatonfassung, die einen Brillanten so filigran über den Goldring hebt, dass von allen Seiten Licht hindurchstrahlen kann, ist eine seiner Spezialitäten. Man kann ihm stundenlang bei seiner Arbeit zusehen, und dabei erzählt er von der Herkunft der Materialien unter seinen Fingern: dem sehr seltenen grün-türkisfarbenen Paraiba-Turmalin aus Brasilien, den eine Familie mit eigenem winzigem Claim lieferte. Oder von dem Händler, der per Motorrad durch Australien fährt, studierter Geologe ist und sich auf eigene Faust durchs Erdreich arbeitet. Pinkfarbene Saphire aus Sri Lanka … manchmal dauert es Monate, bis er einen bestimmten Stein bekommt – schließlich handelt es sich um ein Naturprodukt, es muss erst gefunden werden. Niemals würde er Steine im Großhandel kaufen, für die Kinder in elend tiefe Schächte geklettert sind. „Der Stein merkt sich das vielleicht“, lacht er. Erbstücke arbeitet er um, sodass Altgold aus der Schublade wieder ans Tageslicht kommt. Und das finnische Waschgold schürft er manchmal selbst: wenn er mit seiner Frau Katariina im Tankavaara Gold Village in Lappland Urlaub macht. Ein Naturschutzgebiet, in dem Gold mit Pfanne und Sieb von Hand aus dem Fluss gewonnen wird – echt wie im Wilden Westen. Seine Stammkundschaft ist über die Jahre gewachsen, inzwischen kommt die zweite Generation zu ihm. „In dieser unruhigen Welt wollen die Leute wieder etwas Beständiges“, Thomas freut sich mit, wenn ein junger Mann einen Verlobungsring ordert und wenig später in Begleitung die Trauringe aussucht. Oder über die Mädels-Clique, die sich zu runden Geburtstagen gegenseitig eine Freundschafts- Kette schenkt. Eine seiner Kundinnen pendelt jeden Stein aus, den sie verarbeiten lässt: Sie bestätigt, Thomas Wilhelms Schmuckstücke haben eine positive Ausstrahlung.

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