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Patrick Rüther

GASTRO-INNOVATEUR

Er hat die „Bullerei“ und das „Le big TamTam“ miterfunden und gilt als einer der innovativsten Köpfe
in der Hamburger Gastronomie und darüber hinaus. Rüthers Erfolgsrezept? Er verachtet Mittelmaß.

Text: Regine Marxen | Fotos: Jan Northoff

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Nein, es ist nicht alles eitel Sonnenschein, auch wenn das „Le big ­TamTam“ viel dafür tut, damit es so wirkt. Quietschbunt ist das Dekor des neuen Food-Markts im Hanseviertel, vom Geschirr bis zur Farbe der Sitzbezüge ist alles bestens aufeinander abgestimmt. Auch Patrick Rüther passt hierher, mit seinem zartrosa Sweater und dem kleinen Smiley auf der linken Brustseite. Der Gastro-Szenetreff hat lange auf sich warten lassen. Bauverzögerungen, Probleme mit dem Brandschutz, jetzt ist eröffnet – und Rüther, der mit seiner Agentur Tellerrand Consulting das Konzept mitentwickelt hat, könnte rundum zufrieden sein.
Ist er nicht. Denn in seinem Kosmos läuft eigentlich immer irgendetwas nicht so, wie es sollte.

Während das „Le big TamTam“ Fahrt aufnimmt, muss er sich in einem seiner weiteren Restaurants mit einem verheerenden Wasserschaden herumschlagen. Das kann einem schon mal die Stimmung vermiesen. Oder besser könnte. Laut eigener Aussage liegt sein Gute-Laune-Pegel derzeit trotzdem bei einer souveränen Acht, wobei Null mies und Zehn sonnig ist. Reine Mischkalkulation, so ist das halt in der Gastro. Wer wie er seit über 20 Jahren in der Branche unterwegs ist, hat schon so einige Krisen erlebt. Eine der größten steckt ihm noch in den Knochen, Stichwort Corona. Patrick Rüther wirft also so schnell nichts aus der Bahn. Auch, weil er seinen Job nicht nur beherrscht, sondern tatsächlich liebt.

Dreimal war der gebürtige Lübecker Gastronom des Jahres, seine Konzepte wurden mehrfach ausgezeichnet. Der 51-Jährige zählt zu den kreativen Vordenkern der innovativen Individualgastronomie in Deutschland. Dabei ist er eigentlich Jurist, Schwerpunkt Medien- und Urheberrecht. Ein Jahr hielt es ihn in dieser Branche, bis er 2003 in Hamburg Deutschlands ersten Beachclub eröffnete. Es folgten, gemeinsam mit TV-Koch Tim Mälzer, die „Bullerei“, das „Hausmann’s Restaurant“ und das „Pezzo di Pane“ am Frankfurter Flughafen. Auch das Braugasthaus „Altes Mädchen“ und das „Überquell“ am Fischmarkt gehen mit auf sein Konto. Letzteres betreibt er gemeinsam mit Axel Ohm. 2019 gründete er die Agentur Tellerrand Consulting, die nun seine Schaltzentrale ist.

Farbenfroh geht’s auch hier zu. Patrick Rüther hat ein gutes Gespür für Design, für das Zusammenspiel von Musik, Kunst und Popkultur. Er liebt es, sich tief hineinzufuchsen in Themen wie Raumgestaltung, Anbau und Herkunft von Lebensmitteln oder Mitarbeiterführung.
Er mag Kollaborationen und das kreative Zusammenspiel, aus denen neue, auch mal gewagte Ideen entstehen. All das kann er als Gastronom ausleben. Er ist Konzeptionist mit einem ziemlich guten Gespür für den Zeitgeist und Trends. „Nackte Glühbirnen, wie wir sie in der ,Bullerei‘ hat­ten, waren damals neu. Heute findet man sie in jedem Fast-Food-Laden.“

Jetzt gerade beschäftigt er sich intensiv mit Nachhaltigkeitsthemen. Die Gastronomie befindet sich im Umbruch. Themen wie steigende Kosten, Inflation, Fachkräftemangel oder umweltschonende Ressourcen-Nutzung stehen auf der Agenda. Das bringt Herausforderungen, aber auch große Chancen mit sich. Neue Türen könnten sich öffnen. Aber das geht nicht von allein. Dafür müssen Weichen gestellt werden. Für sich persönlich hat Rüther das bereits getan. 2022 haben er und Tim Mälzer sich geschäftlich getrennt. Mälzer führt die „Bullerei“ allein weiter, Rüther hat die anderen Gastronomien übernommen.

„Wir haben für uns festgestellt, dass wir jetzt, wo wir beide über 50 sind, unterschiedliche Ziele haben.“ In früheren Interviews hat er die „Bullerei“ als Mutterschiff bezeichnet, große Emotionen hängen an diesem Restaurant. Aber der zweifache Familienvater ist keiner, der an romantisierten Bildern aus der Vergangenheit festhält oder sich auf dem Erreichten ausruht. Wenn er wie heute im „Le big TamTam“ steht, sieht er sofort die Fehler im System. Schlecht verlötete Edelstahlkanten zum Beispiel.
Es fällt ihm schwer, einen Status von Zufriedenheit zu erlangen.

„Ich habe eine absolute Aversion und Missachtung Durchschnitt gegenüber, im Sinne von ‚reicht so‘.“ Wer mit ihm zusammenarbeitet, merkt schnell, dass er sich selten für die erstbeste Lösung begeistert. Ist das wirklich die optimale Stofflösung, finden wir eine andere Farbe für die Fugen? Patrick Rüther liebt die Details. Das motiviert zu Bestleistungen und macht am Ende auch die Seele seiner Restaurants aus. Für ihn selbst ist das aber auch manchmal anstrengend, sogar ein wenig schmerzhaft. Denn auch er muss bei seinen Unternehmungen Kompromisse eingehen. Zum Beispiel aus personellen oder finanziellen Gründen. Das ist nicht immer einfach. „Mein Leben ist eben auch ein Abwägen und Austarieren von Zuneigung und Hingabe zu meiner Familie und meinen Freunden, zu all den Projekten und Babys, die ich habe.“ Sein neuestes Projekt: das Hamburger Food Festival Open Mouth. 2024 fand es zum zweiten Mal statt.

Es ist ein neuartiges Konzept, dezentral, über mehrere Tage hinweg, mit verschiedenen Schwerpunkten und Standorten in der ganzen Stadt. Nachhaltig soll es sein und im Idealfall ein Grundrauschen
bleiben, das die Hamburger Gastrokultur das ganze Jahr über begleitet. Die Idee ist erklärungsbedürftig, es wird eine Weile dauern, bis sie sich verselbstständigt. Rüther wird weiter daran feilen, gemeinsam mit den anderen innovativen Köpfen der Szene. „Es macht einfach unheimlich viel Spaß, sich mit anderen Gastronomen auszutauschen und gemeinsam Dinge zu bewegen, neu zu denken, anders zu machen. Ich kann mir nach wie vor nicht vorstellen, in einer anderen Branche zu arbeiten.“

Diesen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe 65

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