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Klare Kante mit Herz

SCHAUSPIELER

Text: Regine Marxen | Fotos: Anatol Kotte

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Diesen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe 64

Sturm, Schauer, ein Sommertag in Hamburg. Wotan Wilke Möhring stapft rauchend vor dem Imbiss „Kleine Rast“ am Elbufer auf und ab. Gerade eben hat er kunstvoll Mayonnaise auf Pommes geschichtet. Sah gut aus, nicht nur auf den Fotos. Der Schauspieler ist ein Mann mit vielen Talenten und einer Extraportion Humor. Ein harter Hund ist er obendrein. Kurz vor dem Fotoshooting hatte er einen ­Segelunfall. Seine Rippen schmerzen noch immer. Keine Frage, einstecken kann er.

Kommissar Thorsten Falke auch. Seit 2013 spielt Wotan Wilke Möhring den Ermittler im Hamburger „Tatort“. Wortkarg ist der, aber hat das Herz am rechten Fleck. In der an Neujahr 2024 ausgestrahlten Folge des Kult-Krimis ver­liert er seine Kollegin Julia Grosz. Die Kommissarin stirbt nach einem Messerstich vor den Türen der legendären Kiez-Kneipe „Silber­sack“. Dort hat sie zuvor ein paar Knollen am Tresen geleert. Schönes Hamburg-Kino mit diesem Urgestein im sich wandelnden Nachtleben auf St. Pauli. Die Stadt ändert sich, Thorsten Falke auch. Die bereits abgedrehte neue Folge führt ihn nach Hannover.

„Er muss sich erst mal mit dem Verlust auseinandersetzen“, sagt Wotan Wilke Möhring. Es ist bereits das zweite Mal, dass Falke eine Kollegin verliert. Das sind prägende Stationen in der Entwicklung dieser Figur. „Das macht was mit ihm“, sagt der Mann hinter Falke. „Und natürlich hinterlassen auch die Jahre auf dem Buckel Spuren. Dieses Sich-nicht-unterkriegen-Lassen, nicht aufgeben im Fadenkreuz zwischen menschlichem Schicksal und der Logik des Gesetzes.“ Wotan Wilke Möhring ist Falke sehr nah. Die Figur ist wie eine Lieblingsjacke, die er überstreift und in der er sich ein wenig zu Hause fühlt. Erstaunlich. Denn wenn der Schauspieler eines nicht mag, dann sind es Komfortzonen.

Er mag He­rausforderungen. Schmerzgrenzen, sagt er, hat er keine. „Es sind ja Ängste, die einen dazu bringen, Dinge nicht zu tun. Und die sagen nicht: ‚Mach es nicht‘, sondern die sagen nur ‚Pass auf oder sei wachsam‘.“ Wie kann es sein, dass gerade er seit über einem Jahrzehnt dem „Tatort“ treu bleibt? An der stabilen, guten Zuschauerquote liegt es nicht. 7,26 Millionen Zuschauer sahen Julia Grosz im Regen sterben. Damit gehört der Hamburger Ermittler zu den erfolgreichsten im „Tatort“-Kosmos. Aber Möhring macht keine Filme ob der Quote. Ihm geht es um den Inhalt und den Spaß an der Sache. Was also gefällt ihm an diesem Format? Ganz einfach: Die Rolle ist nicht so bequem, wie man vielleicht denkt. „Die Fälle sind immer wieder neu, und man weiß nie, wie Falke reagieren wird. Und du arbeitest immer wieder mit neuen Menschen zusammen.“ Obwohl, eine kleine Einschränkung macht er. „Das Kostüm ist eine Komfortzone. Das gebe ich zu.“

Thorsten Falke trägt eine dunkelbraune Lederjacke und Jeans. Das steht ihm gut, genauso wie das T-Shirt der Hardcore-Band Black Flag, das er im letzten „Tatort“ getragen hat. Wotan ­Wilke Möhring selbst war in den 90er-Jahren Mitglied mehrerer Punk-Bands. Das ist nicht die einzige Vorliebe, die der TV-Kommissar und sein Darsteller teilen. „Ich mag an ihm, dass er so ein Bulle ist, wie ich ihn mir oft vorgestellt habe. Zwar auf der Seite des Gesetzes, auf der richtigen Seite stehend, aber er kennt die andere Seite sehr gut und weiß, dass alle Menschen fähig sind zu Gut und Böse.“ Gibt’s weitere Ähnlichkeiten? „Thorsten Falke raucht“, sagt er und hebt grinsend die Hand mit der Zigarette zwischen den Fingern. Natürlich gibt es auch jede Menge Unterschiede. Von Fußball hat der Polizist keine Ahnung. Wotan Wilke Möhring hingegen ist beinharter BVB-Fan. Falke hat neben der eigenwilligen Katze einen Sohn, den er erst spät kennenlernt. Eine große Rolle spielen sie in seinem Leben nicht. Wotan Wilke Möhring ist Vater dreier Kinder. 10, 11 und 15 Jahre sind sie alt und „seine wahre Komfortzone“. Sie sind dort, wo er am liebsten ist. In Köln. Ab und zu besuchen sie ihn auch in Hamburg.

Hier hat er inzwischen eine eigene Wohnung. „Für mich ist diese Stadt die schönste in Deutschland.“ Beruflich hat es ihn schon vor dem „Tatort“ an die Küste gezogen. Hier hat er unter anderem „Soul Kitchen“ mit Fatih Akin gedreht. Der Norden liegt ihm. Vielleicht auch, weil seine Eltern aus Bremen stammen. Er ist gern am Wasser, ein Profi-Poller-Hocker. Den Blick auf die Elbe, den Wind um die Nase, Schiffe
gucken. „Finde ich super.“ St. Pauli mag er auch, aber bitte abseits der Reeperbahn. „Wenn du es schicker magst, wirst du dort genauso fündig, wie wenn du Bock auf Schicksal hast.“

Bock haben. Gutes Stichwort. Worauf hat Wotan Wilke Möhring beruflich Bock? Dem „Tatort“ bleibt er vorerst verbunden. „Wäre Thorsten Falke auserzählt, ich würde aufhören. Das dauert aber noch.“ Aber er plant, ein zweites Buch zu schreiben. 2022 hatte er gemeinsam mit seinem Bruder Sönke sein Debüt „Rausch und Freiheit“ veröffentlicht. „Ich glaube, ich werde irgendwann Regie führen. Aber das muss dann natürlich Bombe werden.“

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