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Alexandra Wandel
WORLD FUTURE COUNCIL
Die Vorstandsvorsitzende des World Future Council lenkt von Hamburg aus die Organisation, die sich nichts Geringeres zum Ziel gesetzt hat, als die Welt für Mensch und Natur besser zu machen.
Text: Simone Rickert | Fotos: Fabian Glawe
Sie spricht schnell, ihre Gesten unterstreichen ihre Worte, Alexandra ist Profi im Kommunizieren: ob mit Dorfbürgermeistern, Wissenschaftlern oder Staatsoberhäuptern, für den Weltzukunftsrat ist sie auf Reisen, bei internationalen Politikgipfeln, in Videocalls und am Telefon sowieso ständig. Die Mission des World Future Council (WFC), gesprochen wird meistens Englisch, ist es, für die dringenden Probleme der Welt politische Lösungen zu finden, die gut für die Menschen und gut für die Umwelt sind. Nicht mehr – und nicht weniger.
Eine solche Organisation gibt es so oder ähnlich kein zweites Mal. Auf vier Bereiche konzentriert sich die Arbeit der 50 ehrenamtlichen Ratsmitglieder, allesamt Spezialisten auf diversen wissenschaftlichen und politischen Gebieten: Frieden und Abrüstung, den Schutz von Ökosystemen, um die Lebensgrundlagen für Tier und Mensch zu sichern, die Energiewende zur Schonung von endlichen Ressourcen und die Rechte von zukünftigen Generationen. Einmal im Jahr treffen sie sich, mal in Hamburg, mal anderswo, ansonsten machen sie ihre jeweiligen Jobs und betätigen das ungleich große Netzwerk im Sinne des WFC. Die Idee ist simpel, die Ausführung komplex: schauen, wo auf der Welt etwas besonders gut funktioniert, und das Vorgehen auf Regionen mit ähnlichen Problemen übertragen, Best-Practice-Wissen breit zugänglich machen. Wie Lobbyarbeit – für die Guten. Alexandra lacht: „Ja, wir nennen es Politikberatung.“ Erfolge? Viele: Der WFC hat Regierungen weltweit zur Skalierung erneuerbarer Energien beraten. Auch zum Beschluss der 193 Vereinten Nationen zum Schutz von immerhin 30 Prozent der internationalen Hochseegewässer haben Ratsmitglieder über Jahre gekämpft. Immer wieder Gutachten, Konferenzen, Gespräche und Verhandlungen.
Ein praktisches Beispiel von vielen: In Brasilien wurde ein Gesetz verabschiedet, mit dem es gelang, die Kindersterblichkeit um 60 Prozent zu senken mit nur zwei Prozent des städtischen Budgets: Märkte ohne Zwischenhändler, preiswerte öffentliche Kantinen, Ernährungskurse an Schulen. Der Vizepräsident von Namibia beschloss, er möchte, dass sich das 58 Bürgermeister seines Landes anschauen. „Wir haben hier auch zu viel Hunger.“ Das Partnerschaftsabkommen hat der WFC organisiert.
Das ist ganz der Gedanke von Jakob von Uexküll, der den Zukunftsrat 2007 mit gegründet hat. Er dachte sich: „Man muss das Rad nicht immer neu erfinden, wir können voneinander lernen. Es gibt bereits so viele Lösungen weltweit. Wir müssen sie nur bekannter machen und verbreiten.“ Von Uexküll ist Deutsch-Schwede, in Hamburg auf die Internationale Schule gegangen, lebt mit Frau und Kindern in London und anlässlich seines 80. Geburtstag kürzlich ist das Buch „Visions for our Future“ erschienen: Der allerneueste Stand zu den großen Themen der Menschheit, geschrieben von Ratsmitgliedern – von Weltethik bis erneuerbare Energie, globale Städte, wie muss die Zukunft der Landwirtschaft aussehen, wie geht’s weiter mit dem Meeresschutz, was können wir für die zukünftigen Generationen tun.
Dem Gründer ist kein Thema zu groß. Von Uexküll ist Berufsphilatelist – nicht zu verwechseln mit Philanthrop, das auch –, Briefmarkensammler und -händler. 1980 verkaufte er einen Teil seiner Sammlung für eine Million US-Dollar und rief von dem Erlös den Alternativen Nobelpreis ins Leben. Als er Anfang der 2000er über einen Weltzukunftsrat nachdachte, war er somit kein Unbekannter. Unternehmer Michael Otto war begeistert von der Idee, ist auf den damaligen Bürgermeister Ole von Beust zugegangen, und es wurde beschlossen, dass die Stadt Hamburg zusammen mit Otto und den Brüdern Rickmers die Grundfinanzierung zur Verfügung stellt, für die ersten drei Jahre. Das Generalsekretariat sollte in Hamburg sein. Alle Mittel werden inzwischen komplett durch Spenden finanziert.
Vor Ort arbeitet der WFC eng mit der Hamburg Sustainability Conference zusammen. Anfang Juni kommen auf Einladung der Stadt, dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen und der Michael-Otto-Stiftung Staatschefs und hochrangige Vertreter aus der Wirtschaft und der Weltbank zusammen, um zu vereinbaren, wie man die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen umsetzt.
Auf internationalem Parkett vergibt eine Jury des WFC jährlich den World Future Policy Award, der die besten politischen Lösungen, egal ob auf nationaler oder lokaler Ebene, für uns und künftige Generationen auszeichnet. Der Award ist ein Vehikel, um Aufmerksamkeit zu schaffen, auch neue Initiativen zu finden. Es gibt eine internationale Ausschreibung und Nominierungen aus aller Welt werden eingereicht. Experten, Parlamentarier, UN-Organisationen, NGOs, Wissenschaftler werden zum Brainstorming eingeladen. Der Evaluationsprozess umfasst weitgehende Recherche, Interviews mit Vertretern von Regierungen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Beim World Future Policy Award 2024 in Genf für Frieden und zukünftige Generationen wurde unter anderen ausgezeichnet: die kleine Region Kauswagan auf den Philippinen.
Es gab viel Hunger. Ein Grund für den Bürgerkrieg zwischen Muslimen und Christen dort, wie in so vielen Regionen. Bürgermeister Rommel C. Arnado hat 2010 ein Training für ökologische Landwirtschaft und Finanzwissen beschlossen. Über 5000 Kämpfer wurden so in die Arbeitswelt reintegriert, haben Lohn und Brot, können ihre Kinder auf Schulen schicken. Alexandra zeigt ein Video von der Preisverleihung: Ein ehemaliger Kombattant schildert, wie er Menschen getötet hat, wie schrecklich das gewesen sei. Nun ist dort Frieden.