Franz Plasa
H.O.M.E.-STUDIOS
Text: Regine Marxen | Fotos: Julia Schwendner
Diesen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe 54
„Ich bin ein Mensch, der keinen Plan hat. Von nichts“, sagt Franz Plasa. Wirklich? Wie jemand, der Dinge entspannt dem Zufall überlässt, wirkt er nicht. Das silbergraue Haar ist perfekt frisiert, der Bart gestutzt, ein wohlüberlegter Style vom dunklen Wollpulli bis zu den Sneakern. In seinen Eimsbütteler H.O.M.E.-Studios, in denen wir uns heute treffen, haben Stars wie Lindenberg, Mariah Carey oder Depeche Mode Hits produziert. Echt – das ist eine Band – sind in diesen Räumlichkeiten der Frage nachgegangen, ob es die Tränen oder der Regen sind, die von der Nasenspitze ihres weiblichen Gegenübers tropfen, und Selig – noch eine Band – haben hier gemeinsam mit Plasa gleich mehrere Platten eingespielt, unter anderem ihr aktuelles Album „Myriaden“. Unzählige Auszeichnungen hängen an den Wänden, selbst über dem Pissoir ist eine Goldene Schallplatte zu finden. Das schafft man nicht ohne Plan. Oder?
Nein. Und ja. Wenn es um die Musik geht, dann ist der Erfolgsproduzent keineswegs planlos. Geht’s ums Business, sieht die Sache anders aus. Die H.O.M.E.-Studios basieren auf keinem Masterplan, der zu Ruhm und Reichtum führen sollte. „So einen Ort wie diesen hängt sich heute keiner mehr an die Backe.“
1998 hat der 67-Jährige das Tonstudio in der Bogenstraße übernommen. 400 Quadratmeter ist es groß und beherbergt mehrere kleine sowie zwei große Studios mit separaten Aufnahme- und Regieräumen. Für den Gitarristen, der an der Seite von Michy Reincke mit Felix De Luxe große Erfolge gefeiert hatte, sollte dieser Ort eine Heimat werden. Folgerichtig verpasste er ihm den Namen H.O.M.E.-Studios. Der Sprung auf die Produzentenseite war für ihn ein konsequenter. „Ich kann Leute dazu bringen, besser zu werden. Ich bin zu 100 Prozent ein guter Produzent.“ Er stattete die Räume mit der besten Technik aus, die er finden konnte. Wer in Hamburg Großes produzieren wollte, musste zu Franz Plasa. Das war sie, die legendäre Zeit, in der die Labels noch viel Geld in die Musikproduktion steckten. Sie endete um 2005 mit dem digitalen Siegeszug. Vieles hat sich im Musikbusiness verändert. Aber Franz Plasa und die H.O.M.E.-Studios sind noch da. Das ist keine Selbstverständlichkeit.
Das ist, um es mit Plasas Worten zu beschreiben, pure Abhängigkeit. Für ihn ist diese Stätte bis heute viel mehr als nur ein Arbeitsort. Sie ist ein Teil seines Seins. Keine H.O.M.E.-Studios ohne Plasa, aber eben auch kein Plasa ohne H.O.M.E.-Studios. Als Musikproduzent war er stets ein Getriebener. Typ: grundnervös. „Viele Musiker, die jetzt wieder mit mir arbeiten, erzählen, sie hätten früher Angst vor mir gehabt“, sagt er. „Kann ich gar nicht nachvollziehen, aber es kann auch an Drogen und dem ganzen Kram gelegen haben. Ich war nicht entspannt.“ Es ist ein verschwenderisches Leben, das Plasa führte. Energetisch gesehen. Ums Geld ging es ihm nie. Der Mann lebt für die Musik. Klingt
abgedroschen, ist aber so. Auch deshalb schmiss er zum Beispiel den Job als musikalischer Leiter bei der VOX-TV-Show „X Factor“ hin. „Weil es denen nicht darum ging, gute Songs zu machen.“
Wirtschaftlich war diese Entscheidung alles andere als clever. Denn um seine H.O.M.E.-Studios war es damals, 2012, schlecht bestellt.
Musik konnte man inzwischen im heimischen Keller am Rechner zusammenbasteln, ein Studio brauchte es nicht mehr zwingend. Plasa reichte Insolvenz ein, hielt sein Tonstudio weiter am Laufen. Viele seiner Nächte verbrachte er hier, Musik war sein Motor. Dieser Lebensstil forderte irgendwann seinen Tribut, er erlitt einen Herzinfarkt, ihm folgten weitere gesundheitliche Rückschläge. 2016 kam der Wendepunkt. Warum das Ganze? Nur, um dieses Studio zu halten? Er kündigte alle Verträge.
Das hätte das Ende der H.O.M.E.-Studios sein können, wäre nicht sein Nachbar Max Hardinghaus auf ihn zugekommen, um ihn zu bitten weiterzumachen. „Das rührte mich.“ Er tat es, holte sich Untermieter ins Studio, um die Kosten zu senken. Vor zwei Jahren wurde ihm die Restschuld seines Insolvenzverfahrens erlassen. Die Nachricht kam in einem gelben Brief. Er las ihn, ging auf die Straße vor seinem Haus – und fiel einfach um. „Ich hatte nicht realisiert, wie viel ich verdrängt hatte in diesen Jahren.“ Die Nacht darauf verbrachte er „heulend und saufend“ in der Kneipe „Fasan“. Eine Art Katharsis für den Getriebenen – und ein Neuanfang. Die H.O.M.E.-Studios haben sich finanziell erholt und sind derzeit ziemlich gut gebucht – und Franz hat begonnen, eigene Songs nur für sich selbst zu schreiben, die er unter dem Namen Plasa veröffentlicht. Das ist ihm fremd und fühlt sich aufregend an. „Ein neuer Lebensabschnitt in einer radikalen, neuen Welt“, sagt er. „Ich habe gelernt, mich selbst zu lieben. Das habe ich ein Leben lang nicht getan. Und ich benutze die Waffe der Kreativität, um mein Leben spannend zu gestalten.“ Er ist ruhiger geworden, entspannter. So entspannt, wie ein Franz Plasa eben sein kann.