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Heinz Strunk

AUTOR

Ob Bühne oder Buch – er liefert mit scharfem Humor und Disziplin. Jetzt hat sich Heinz Strunk an Thomas Manns „Zauberberg“ gewagt. Ganz schön gewichtig, der Autor aber arbeitet bereits am nächsten Buch. Über einen, der vieles beherrscht, nur die Kunst des Müßiggangs nicht.

Text: Regine Marxen | Fotos: Anatol Kotte

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Bühne oder Schreibtisch – wo fühlt er sich wohler? Weder noch, aber da beide Orte wichtige Teile im Leben von Heinz Strunk sind, kommt er nicht umhin, sie auch zu bespielen. Er tut das mit hoher Schlagzahl. Auf der Bühne ist der Satiriker, Schriftsteller, Dramatiker, Musiker und Schauspieler regelmäßig im Hamburger Schauspielhaus zu sehen. Gern gemeinsam mit Studio Braun, jenem legendären Künstlertrio, das Strunk zusammen mit Jacques Palminger und Rocko Schamoni Anfang der 90er-Jahre gegründet hat. „Eine richtig schöne, fast rührende Gemeinschaft, die wir haben, mit sehr viel Respekt und Achtung für den anderen.“ Über 30 Jahre hält diese Verbindung nun schon. Sie zählt zu den wichtigsten in seinem Leben. Am Schreibtisch müsste er derzeit eigentlich wenig sitzen, sein aktueller Roman „Zauberberg 2“, eine
Hommage an Thomas Manns Werk, ist erst im November letzten Jahres erschienen. Doch Strunk mag keinen Müßiggang.

Also hat er schon mal vorgearbeitet, die Bücher für die nächsten zwei Jahre geplant und zum Teil schon geschrieben. Der Erzählband „Kein Geld, kein Glück, kein Geist“ erscheint noch in diesem Jahr, 2026 folgt ein Krimi mit dem Titel „Erinnerungen an Heidelberg“. 2027 will er „Junge rettet Freund aus Teich“ fortsetzen. In der Reihe seiner autobiografischen Werke ist dieser Roman vielleicht der persönlichste. Er erzählt schonungslos von der Psychose der Mutter, dem Dahinsiechen der Großeltern, dem Elend Pubertät mit Akne und den vielen Demütigungen, die diese Zeit für ­einen parat halten kann. Ziemlich intensiv, und doch gehört das Buch zu Strunks weniger erfolgreichen Werken. Das ärgert ihn bis heute, gesteht er im Podcast „DER HAMBURGER Inside“. Außerdem hat er nach den „Käsis“ ein weiteres Bilderbuch geschrieben. Fazit: „Es gibt wieder viel zu tun, aber ich bin ganz froh, dass ich jetzt erst mal Luft habe, was die Bücher angeht.“

Jedes Jahr ein Buch. Heinz Strunk hat sich hochgeschrieben in die erste Liga der deutschsprachigen Autoren. Das hat viel mit Disziplin zu tun. Seine Bücher „Ein Sommer in Niendorf“ und „Es ist immer so schön mit dir“ waren für den Deutschen Buchpreis nominiert, für „Der ­goldene Handschuh“ erhielt er den Wilhelm-Raabe-Literaturpreis. Trotz des Erfolgs haftet ihm immer noch das Etikett des Witzbolds an. Bestseller-Blödler nannte ihn die „Süddeutsche Zeitung“ einst. Wie er damit umgeht? Strunk zuckt mit den Schultern. „Ich passe einfach nicht in den deutschen Literaturbetrieb“, sagt er. „Am beklagenswertesten ist für mich die völlige Humorlosigkeit in der deutschen Gegenwartsliteratur.“ Strunks Geschichten pendeln zwischen Kummer und Komik, er erzählt radikal ehrlich. So wenig Mitleid er mit sich selbst als Autor hat, so hart geht er mit seinen Figuren um. Für die Hässlichkeiten des Lebens hat er einen Blick. Er seziert sie mit einer Schonungslosigkeit, die gern mal ins absurd Komische abdriftet. Nicht selten bleibt beim Leser ein Unbehagen zurück. Das Leben kann mies sein, man weiß nie, wann das Schicksal mit Dreck nach einem wirft. Man braucht Glück im Leben. Oder nicht?

Jonas Heidbrink, Protagonist im „Zauberberg 2“, hat Glück gehabt. Das Start-up hat er früh verkauft, jetzt müsste der Enddreißiger nicht mal mehr arbeiten. Aber irgendwie steckt er fest, es geht ihm nicht gut. So weit, so verständlich, aber Strunks Helden geben sich dem Untergang hin, steuern dem Niedergang entgegen. Zu weich, zu durchlässig, was für ein Elend. „Die ganze Zeit des Wartens und der Glücksverheißung hat zu nichts geführt“, konstatiert Jonas Heidbrink. In einem seiner unglückseligsten Momente hat er eine Durchfallattacke auf dem Hochsitz. Manch einem geht das alles zu weit. „Mir wird teilweise vorgeworfen, ich hätte einen misanthropischen oder gar misogynen Blick, was ich strikt bestreite. Lauft doch mal über den Dom oder verbringt einen Tag in einer deutschen Autobahn-Raststätte eurer Wahl.“ Strunk geht dahin, wo es wehtut. Das mag auch an seiner eigenen Biografie liegen. Als er zwölf Jahre alt war, wurde bei seiner alleinerziehenden Mutter Margarete eine Psychose diagnostiziert. Er pflegte sie vier Jahre lang, bis zu ihrem Tod 1998. 18-jährig erkrankte Strunk aufgrund von Cannabis-Missbrauch ebenfalls an einer Psychose, es folgten Depressionen und Angststörungen, die ihn lange Zeit begleiteten. In den 80er-Jahren arbeitete er an seiner Musikkarriere. Er wurde kein Popstar, stattdessen tourte er zwölf Jahre lang mit der Tanzband Tiffany durch die norddeutsche Provinz. Seine Erlebnisse hat er in „Fleisch ist mein Gemüse“ niedergeschrieben. Der Roman wurde ein Bestseller – und sein Durchbruch.

Heinz Strunk hat gegen sein Schicksal angeschrieben. Sein Erfolg hat auch viel mit seiner Heimatstadt Hamburg zu tun. Sie hat ihm Freundschaften geschenkt. Stichwort Studio Braun. Er lebt am Rande des Schanzenviertels, nur wenige Minuten vom „Bistro Carmagnole“ entfernt, an dem er beteiligt ist. „Es ist eine Art Hobby. Geld verdiene ich damit nicht.“ Wenn es stimmt, dass die Wohnungseinrichtung viel über das Innere ihres Bewohners verrät, geht es in Strunks Kopf kunterbunt zu.

Er schafft Ordnung durch Routine. Vier Stunden am Tag schreibt er, hört erst auf, wenn der Wecker klingelt. Wer auf die Muse wartet, hat verloren. Entspannt ist das nicht. Aber es funktioniert.

Diesen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe 66

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