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Stefanie Hehn

MASTER SOMMELIER

Text. David Pohle Fotos: Jan Northoff

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Diesen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe 52

Stefanie Hehn ist oben. Ganz oben. Gerade 36 Jahre geworden steht die Unterfränkin aus Bad Kissingen im siebten Stock des Fontenay-Hotels und schwenkt äußerst schwungvoll einen der schönen Spätburgunder von Rudolf Fürst, den sie in Sonderabfüllung für das luxuriöse Haus mit kreiert hat. Name: John. Zu Ehren von John Fontenay, dem Schiffsmakler, der vor 200 Jahren viele Grundstücke vor dem Dammtor aufgekauft hatte. Zwischen Alster, Badestraße und Mittelweg spricht man bis heute von der Fontenay.

Im Oktober letzten Jahres ist Stefanie Hehn Master Sommelier geworden. Hat nach knapp neun Jahren die weltweit anspruchsvollste Prozedur, die aus Tasting, Praxis und Theorie besteht, bestanden und sich dazugesetzt auf den illustren Olymp von knapp 270 Mastern, davon nur circa zehn Prozent Frauen, die sich seit 1969 mit diesem Titel selbst belohnt haben, der ähnlich dreier Sterne für Köche Champions League bedeutet. Nur vier Prozent derer, die sich auf den Weg machen, reüssieren am Ende. Nun steht sie selbstbewusst auf der Terrasse des jüngst besternten Restaurants „Lakeside“.

Außenalster, Rathaus und natürlich Elbphilharmonie. Mehr Blick geht nicht. Tja, wie das alles angefangen habe, möchte man wissen. „Ach“, und schon kommt dieses ansteckende Lachen, das im Gespräch noch häufig gute Laune machen wird, „es gab da keinen Plan. Nachdem ich als junge Jugendliche mal Bier gezapft hatte, entschied ich mich für die Lehre zur Hotelfachfrau in Laudensacks Parkhotel, quasi um die Ecke. Ich dachte eher in Richtung Rezeption oder Concierge, aber mein damaliger Chef sah meine Stärken im Verkauf, und so assistierte ich dem Sommelier des Hauses vor allem damit, dass ich, um ihm Zeit zu sparen, in den Keller flitzte und die Weine holte, die er den Gästen anbieten wollte.“

Damit war das Interesse an Wein geweckt, Hehn bewarb sich in der Stuttgarter „Speisemeisterei“, vor allem, weil dort mit Christina Göbel eine bundesweit bekannte Sommelière arbeitete. Lernen wollte sie. Und tat das auch. Bis heute ist die Verbundenheit groß. Stationen im „Chezann“ bei Ronny Siewert in Rostock, in der Frankfurter Villa Rothschild, Burg Schwarzenstein im Rheingau und dann im Louis C. Jacob an der Hamburger Elbchaussee folgten. Dort wurde der Grundstein für ihre Karriere im Wein gelegt. Sie nahm – nicht ganz eigeninitiativ – am Nachwuchsförderprogramm der Sommelier-Union teil, kam gleich in einem hochkarätig besetzten Wettbewerb ins Halbfinale und wurde erstmals ausgezeichnet: „Bester jüngster Sommelier Deutschlands“. Da war sie 26 und musste fortan nie wieder eine Bewerbung schreiben.

Christian Jürgens – heute Drei-Sterne-Koch, damals noch zwei – holte sie an den Tegernsee in die Überfahrt, obwohl die Vorstellung von für Oberbayern typischen Geranien auf Holzbalkonen und Tracht eine Horrorvorstellung war. Sie bleibt vier Jahre, besteht dort den Advanced Sommelier, der auf dem Weg zum Master dem Introductory und dem Certified Sommelier folgt und schon ganz großes Kino ist. Für den letzten Schritt nimmt sie sich Zeit. Lebt, um ja nicht die Lust zu verlieren. Die Prüfung ist eine monströse Herausforderung, für die man in Harmonie mit allem sein muss, Körper, Geist, Seele. Das ließ sich nicht vereinbaren. Sie hört in der Überfahrt auf, reist, futtert, trinkt sich durch die Sterneküche des Piemont – „der teuerste Kurzurlaub meines Lebens“ –, fliegt nach Südafrika, besucht Freunde und ihre Eltern. „Immer wenn ich zu Hause bin, wird meine Grammatik schlechter“, schüttelt sie sich fast vor Lachen.
2017 dann ein Anruf. Sie soll den noch im Rohbau befindlichen Weinkeller des Fontenay verantworten und füllen. Und Zeit für den Master gibt es auch. Doch Umzug, Jobwechsel und Druck lassen sie im ersten Versuch scheitern. Das stärkt ihren Willen. Monatelang verkostet sie täglich sechs Weine, manchmal mehr, immer vormittags, wenn der Kopf noch frisch ist. Nie trinkt sie, denn „dann wär’ der Tag komplett gelaufen“.

„Love, what you do“, hat Apples Steve Jobs gesagt. Und das tut sie. „Ich liebe Tastings. Das ist wie Mathe für Sommeliers, wo man den Rechenweg sucht und am Ende hoffentlich mit dem richtigen Ergebnis glänzt.“ Sie bleibt sich treu, und 2020 besteht sie die schwierigste Weinprüfung dann. Ist Master Sommelier. Nicht Sommelière? „Ich mag das Gendern nicht so sehr, und für Master Sommelier ist international auch gar keine weibliche Form vorgesehen.“ Das macht auch ihre älteren Brüder stolz, die doch manchmal noch fragten, wann sie denn endlich etwas Vernünftiges machen wolle. Im Fontenay hat sie den Keller mit rund 400 Positionen von 35 Euro bis 3000 Euro plus gefüllt, Schwerpunkt Deutschland und Alte Welt. „Und wenn es sich um einen Drei-Sterne-Wein handelt, darf der auch aus Australien rüberschippern.“ Das Budget war im eigenen Ermessen, aber ohne wirtschaftliches Denken muss man in der Spitzengastronomie nicht mal einen Wein entkorken. Der eigene Geschmack darf dabei nicht im Vordergrund stehen. „Ich liebe Rieslinge, Chardonnays, eigentlich alle Weine, die mit Struktur, Profil, Ecken und Kanten zeigen, wo sie herkommen.“

„Wir haben ein tolles Team hier. Und ich bin wirklich angekommen. Hamburg ist meine große Liebe. Jedenfalls zu einer Stadt.“ Gut gelaunte Gäste, die Lust haben, sich auf einen tollen Abend einzulassen. 90 Prozent wählen dann die Weinbegleitung. „Bei mir dürfen Gäste auch Eis in den Wein tun. Ich weise dann freundlich darauf hin, dass man ob der mundgeblasenen Gläser Vorsicht beim Einwurf
walten lassen solle.“ Das ist die langjährige Erfahrung, die den Master vergoldet. Ganz oben.

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