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Hubert Neubacher

 

 

AUTORIN: REGINE MARXEN

FOTOS: RENÉ SUPPER

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Diesen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe 43

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„Gerda 2.0“ ist Baujahr 1938. Sie wurde aber inzwischen kräftig
geliftet, nur wenige ihrer Teile sind noch original. Außerdem trägt sie Farbe. Leuchtendes Gelb, Rot und Blau, das macht jung. „Gerda“ gehört zur Flotte von Barkassen-Meyer und ist eine von insgesamt fünf Kunstbarkassen. Das Künstlerduo Doppeldenk hat dem Schiff sein buntes Outfit verpasst. An einem grauen Mittwochmorgen wie heute, wenn der Regen stumpf vor sich hin nieselt und die Wolken ganz schön tief hängen, kommt dieser Anblick richtig gut. Das findet auch Barkassen-Meyer-Chef Hubert Neubacher. Im grauen Hoodie mit Firmenlogo erwartet uns der 46-Jährige an den Landungsbrücken, Brücke 6, unweit seines Büros, und ist bereit, mit uns abzulegen. „Mein Anliegen war es immer, dem Barkassen-Geschäft ein modernes Image zu verleihen“, sagt er. Dass der Youngster seiner zehn Schiff starken Mannschaft, die frisch getaufte „MS Ennstal“, von Udo
Lindenberg persönlich gestaltet wurde – weshalb man sie in
Hamburg auch Panik-Barkasse nennt, freut ihn deshalb besonders.


Aber dazu später mehr. Erst einmal geht es mit „Gerda 2.0“ nach Entenwerder, wo Barkassen-Meyer zwei Pontons als zusätzliche
Liegefläche für die Schiffe gemietet hat. Für Neubacher ist dieser Ort aber viel mehr: Er ist ein Raum zum Luftholen. Eine Auszeit von der rauen Hafenwelt. Wir schippern durch die Speicherstadt, Hubert Neubacher sitzt entspannt auf einem der Stühle, vor ihm liegt sein Frühstück, ein Apfel. Zum Essen kommt er nicht, er hat viel zu erzählen. Von 100 Jahren
Barkassen-Meyer in Hamburg – und von 25 Jahren Neubacher bei
Barkassen-Meyer. Mit 16 Jahren verließ der Österreicher seine Heimat Haus im Ennstal. „Als junger, schwuler Mensch wollte ich raus aus der Enge. Ich wollte Kultur, Konzerte.“ Er wird Kellner, macht eine Ausbildung in Lech und landet schließlich mit 19 Jahren in Hamburg. „Die Stadt habe ich von Beginn an geliebt“, sagt Neubacher. Sein Job aber langweilt ihn. Der Tipp eines Freundes führt ihn zu Barkassen-Meyer, die Inhaber Ruth Junker und Berhard Hähnsen suchen einen Assistenten.

 

Mit 21 Jahren wird er, der österreichische Kellner, die rechte Hand der Geschäftsführung des Schifffahrts-unternehmens. „Ich war jung, naiv, aber ich habe mit Leistung überzeugt.“ Er schlägt sich gut, so gut, dass Ruth Junker ihm prophezeit: „Wenn du 30 wirst, gehe ich.“ 2002, eine Woche vor Neubachers 30. Geburtstag, packt Ruth Junker nach einem langen Tag im Büro ihre Tasche. Es ist Hafengeburtstag, und ihr Assistent hat noch
reichlich Arbeit auf dem Tisch. „Ich geh’ dann mal“, sagt sie.
Neubacher blickt auf. „Prima, ich habe noch ein bisschen zu tun.“ Sie  schaut ihn an und wiederholt mit klarer Stimme: „Ich gehe.
Du wirst nächste Woche 30 Jahre alt.“ Noch heute schmunzelt er
ungläubig, wenn er sich an diesen Moment erinnert. Es war der
Moment, in dem er die Geschicke der Firma allein in die Hand nahm. Ruth Junker verlässt an diesem Tag das Büro – und kehrt nie wieder zurück. „Den Kontakt zu Kunden brach sie komplett ab. Sie hat an diesem Tag den endgültigen Cut gezogen.“ Ungefragt wird Neubacher Chef des Unternehmens; sechs Schiffe plus Mitarbeiter, das ist kein Pappenstiel. Aber er macht einfach weiter, ohne groß nachzudenken. „Ich habe diesen Schritt nie bereut“, sagt er. Im selben Jahr macht er sein Hafenpatent, nicht weil er selbst am Steuer stehen will. Er will wissen, wie es geht. Im Hafen siegt Praxis über Theorie: machen, nicht schnacken.

 

Entenwerder. Wir stehen in dem Aufbau direkt auf dem Steg. Ein kleines Haus mit großen Fenstern, durch die wir auf die Barkasse „Seute Deern“ blicken. Hier arbeitet Neubacher, hierhin lädt er Freunde oder Geschäftspartner ein. Vor allem aber sammelt er hier Kunst. „Es inspiriert mich, mich mit Künstlern und ihren Werken zu umgeben“, sagt er. „Denn diese ticken zum Glück anders.“ Gemälde rahmen die Wände. Justine Otto, Julia Benz oder Dörings „Muhammad Ali“. Signierte Vinyl-Platten – oder „Pladden“, wie Hubert Neubacher norddeutsch formuliert – von Enno Bunger, Status Quo oder Boy gesellen sich hinzu. Sauber auf Bügeln auf-gereiht zeugen zahlreiche Band-Shirts von James bis hin zu Madonna
von Neubachers musikalischer Leidenschaft. 80er-Jahre-Pop, Indie oder Klassik. Er sammelt, was ihm gefällt, Wertsteigerung ist ihm egal. Es geht ihm ums Genießen. „Ich bin hier draußen in einer anderen Welt. Nicht, dass ich aus dem Hafen flüchten möchte. Aber man muss sich Räume der Freiheit schaffen, um den Druck auszugleichen.“

Der Druck, das ist vor allem das hohe Arbeitspensum. Das 100-jährige Firmenjubiläum lässt seinen Aufgabenberg nicht gerade schrumpfen. Während wir wieder gen Landungsbrücken fahren, berichtet Neubacher von seinen Plänen für 2019. Er erzählt von der „MS Ennstal“, der ersten Barkasse, die unter seiner Führung gebaut wurde. Der Name ist eine Hommage an seine Heimat. Und dann sind da noch die 100 Veranstaltungen, die er mit seinem Team in diesem Jahr stemmen möchte. Viele Projekte. Gut so, er braucht das, um Spaß an dem Job zu haben. „Ruth Junker ging mit Mitte 50. Ich habe noch keinen Nachfolger im Blick, habe aber ja noch Zeit.“
Er lächelt und beißt in seinen Apfel. Und fügt hinzu: „Für mich ist
nur wichtig, dass ich nie das Gefühl habe, dass ich in die Firma
kommen muss. Sondern darf.“

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