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Jan Cray

 

 

AUTOR: JÖRG FINGERHUT

FOTOS: JAN CRAY, HEIKE BLENK

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Diesen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe 42

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Das ist doch das Größte: Wenn deine Eltern nicht irgendetwas aus dir machen wollen. Sondern Geduld und Glauben haben. Dich einfach machen lassen. Dass das gar nicht so leicht ist, können vielleicht nur Eltern nachvollziehen, die ihren sechzehnjährigen Sohn in die weite Welt entlassen. Jan Cray ist so ein Sohn. Jahrgang 85, aufgewachsen in einem Dorf bei Lüneburg. Wie seine Schwester Anna. Es ist sicherlich schön grün, aber machen kann man dort nicht so viel. „Eigentlich …“, er überlegt kurz, als müsse er die Aussage noch vorab dringend überprüfen, „habe ich schon immer mit Möbeln gearbeitet. Einige in unseren Kinderzimmern haben wir damals teilweise selbst aufgearbeitet. Spätestens seit 2001 baue ich Möbel.“


Jan ist seitdem weit gereist. Und seine Reise hat früh angefangen, nämlich mit einem Praktikum im Norden von Wales. Da war er gerade mal 16 Jahre jung, und er merkte endgültig, dass die Arbeit mit Holz im Allgemeinen und der Möbelbau im Besonderen ihm ziemlich liegen. Im Gegensatz zur Schule, die er da nämlich schon verlassen hatte. „Meinen Eltern war es wichtig, dass ich eine gute Kindheit habe. Und die hatte ich!“ Zurück in Lüneburg gab’s dann erst mal eine Ausbildung, danach den ersten Job. Und auch wenn der Job nichts mit Möbeln zu tun hatte, ging es zum Feierabend immer in die Werkstatt. Möbel restaurieren, planen, bauen. Bis in die Nächte. Intuitiv. Wie er es in Wales gelernt hatte. So wie früher Möbel gebaut wurden.

 

„Ich hab’ damals schon immer gesagt: Das eine ist mein Job. Aber Möbel … Möbel sind meine eigentliche Arbeit!“


Insofern war es dann gar nicht so überraschend, dass er, als er 2010 seinen sicheren Job aufgegeben und nach Malaga ausgewandert ist, nicht nur etwas Gepäck dabeihatte, sondern auch Holz. Richtig viel Holz! Damit hat er dann im Süden Spaniens erstmals hauptberuflich Möbel gebaut. Nur hat da seine Idee von Möbeln nicht so recht funktioniert. „Wir wollen so arbeiten, 
dass wir möglichst wenig Müll produzieren. Auch heute. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Auswahl der Materialien. Und auch auf die Preise.“ Dennoch war der Dämpfer im Süden Spaniens, wo vielleicht preiswertere Produkte besser funktioniert hätten, kein Grund, irgendetwas grundlegend zu verändern. Er ist dann noch für ein Jahr von Spanien nach Chile, ehe er 2013 nach Hamburg gekommen ist und in einem Hinterhof in Ottensen seinen eigenen Laden eröffnet hat. Das passte aus vielen Gründen ganz hervorragend – auch wenn die Werkstatt so klein war, dass kaum die Säge hineinpasste. Und es auch keinen Verkaufsraum gab. Denn seine Schwester Anna war auch in Hamburg. Als Werberin konnte und kann sie Aspekte einbringen, ohne die es in fast keiner Branche funktioniert. Sie macht die Arbeit ihres Bruders sichtbar, öffentlich. Zudem sitzen in Hamburg Menschen, die auch bereit sind, für nachhaltige Produkte und regionale Handarbeit zu bezahlen.


Dennoch war die Zeit ab 2013 kein Selbstläufer. „Ich stand ein Jahr fast rund um die Uhr in der Werkstatt, und wir haben gemerkt, dass es wirtschaftlich trotzdem nicht läuft.“ Immerhin gab es ein Produkt, das nachgefragt war: der „6 Grad Tisch“. Aufgearbeitete Baugerüstbohlen als Platte, beschichtete Metallbeine, in einem Winkel von sechs Grad ausgestellt. Nach dem ersten Jahr Hamburg haben Jan und Anna die nahezu letzten Reserven in einen Stand auf der Altonale investiert. Bingo! Ab da wuchsen Nachfrage und konkrete Kundenwünsche: Ob es zu dem Tisch auch eine Bank gebe? Stühle? Andere Farben? Den Tisch vielleicht ohne Zarge? Ob man die Möbel auch rausstellen könne? Innerhalb kurzer Zeit ermöglichten drei verschiedene Serien weit über 7000 Produktkonfigurationen. Und ein erster Umzug innerhalb Hamburgs wurde nötig. Seit 2015 wird in Altona in der Nähe des Fischmarkts produziert. „Es sind echt Produkte ausm Viertel.“ Auch die Metallelemente werden in Hamburg hergestellt. Inzwischen wächst die Zahl der großen Projekte. Zuletzt waren es Einrichtungselemente für 170 Hotelzimmer.


Seit 2017 wird in Altona noch ein weiteres Produkt hergestellt. Fast ein Jahr hat Jan mit seinem Team viel Zeit on top in die Entwicklung einer Küche investiert. Warum ausgerechnet eine Küche? Er lacht. „Ich koche halt total gern!“ Er bleibt sich treu. Neue Produkte werden organisch entwickelt, nicht cashgetrieben. „Es sollte sich schön anfühlen, wertig sein und schön altern.“ Im Ergebnis ist eine komplett flexible Küche aus vier verschiedenen Modulen entstanden, die, anders als die meisten anderen Küchen, frei steht und deshalb auch bei Umzügen nicht zurückgelassen werden muss. „Unsere Möbel sollen Erbstücke werden!“ 
Im Frühjahr 2019 werden Jan und Anna einen Container-Showroom in Altona einweihen, der schon direkt vor der Werkstatt steht. Auch wenn die Werkstatt gerade eigentlich wieder zu klein wird. Wenn man Jan einfach machen lässt, kann es eigentlich nur gut werden. Haben seine Eltern schon immer gewusst. Wissen jetzt auch ziemlich viele Kunden.

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