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Jonas Kötz

 

 

HOLZBILDHAUER & ILLUSTRATOR

 

 

Text: Simone Rickert 
Fotos: Nico Krauss

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Diesen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe 45

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Gleich hinterm Deich liegt der Hof von Familie Kötz. Oben auf der Krone steht eine von Jonas’ lebensgroßen Figuren und blickt auf die Elbe, sieht aus wie eine Mischung aus Osterinsel-Moai und ostfriesischem Gartenzwerg. „Wie heißt der?“ Jonas muss lachen, die Frage kommt wohl nicht zum ersten Mal. Er gibt seinen Jungs oder Kerlen, wie er sie nennt, keine Namen: „Aber meistens tun das die neuen Besitzer.“ Die Kötz’schen Kerle gibt es in sehr groß, elf Meter inklusive Sockel misst -einer, der in der Elbe steht, und in recht klein, dreißig, vierzig Zentimeter, für den Hausgebrauch. Vom Typ her alle ähnlich: aufrechte Haltung, gemütliches Bäuchlein, Knubbelnase, kurze Beinchen, den Blick geradeaus, doch keiner gleicht dem nächsten. 

Ihre schlichte Form hat eine sympathische Ausstrahlung: Sie wirken souverän, etwas in Gedanken versunken, mit sich und der Welt im Reinen. Könnten sie reden, täten sie das selten und mit trockenem Humor. So einen hat man gern um sich. Mit ihrem Erschaffer haben sie übrigens – bis auf den Humor – nichts gemeinsam. Jonas ist groß, schlank und wuchtet gerade eine Motorsäge um einen Holzklotz herum, der größer ist als der Mann selbst. Er hat die fertige Skulptur vor Augen, die schon immer in diesem alten Dalben gesteckt hat: „Das ist das Witzige am Schnitzen, die war da schon immer drin!“ Er muss sie nur herausholen. Und das darf gern schnell gehen, er sei eher so der ungeduldige Typ, sagt er: „Zum fertigen Ding muss ich mich nicht erst selbst finden.“ Deswegen spricht in seiner Künstlerseele absolut nichts gegen den maximal effektiven Einsatz elektrischer Werkzeuge. Klar wird es noch Tage dauern, bis dieser große Outdoor-Jung hier fein geschnitzt und geschliffen ist. Er ist aus wetterfestem Bongossi-Holz. Das ist hart und zäh, denn es hat schon an die 70 Jahre im Hafen gestanden. Für die Kerle, die ihr neues Zuhause drinnen haben werden, verwendet Jonas Eichenbalken aus alten Fachwerkhäusern. Die sind wunderbar lange abgelagert, kriegen in der Heizungsluft keine Risse. Allein die Werkstoffe zu besorgen, ist schon eine Kunst, und echt teuer sind sie auch. 

Jonas führt über den alten Resthof, ein Traum. Krautsand liegt noch hinter Buxtehude, wo „de Has un de Swinegel“ sich „ick bün all dor“ -sagen. Er und seine Frau Ami haben ihn vor gut 20 Jahren entdeckt, als sie von ihrer alten Heimat Blankenese aus einen Ausflug machten. Da war der Badestrand, der Garten, die herrliche Weite …  und die Bewohnerin, Schauspielerin Angela Winkler, die sich von Ami überreden ließ, mit ihrer Familie eher als geplant nach Frankreich auszuwandern. Hinter dem Wohnhaus liegt die riesige Scheune, die inzwischen Atelier und Werkstatt ist. Einen imposanten Walnussbaum und Pappeln hört man im Wand rauschen, wenn Jonas die Motorsäge ausgestellt hat. Die Drecksarbeit macht er im Freien, hier fliegen die Späne einfach weg und düngen die Obstbäume. In der Scheune wird geschnitzt und geschliffen. Architektonisch eine Besonderheit: eine Korn-Seitdurchfahrtsscheune mit fünf Fächern – heißt, hier wurden früher fünf Pferdefuhrwerke gleichzeitig beladen – maximal effizient. So was gefällt Jonas, er lacht und bekennt: „Ich rede gern, ich steh’ hier sonst den ganzen Tag allein.“ An der Wand hängt ein altmodisches Telefon, oft genug klingelt es, und jemand bestellt einen Kerl oder gleich eine ganze Ausstellung, wie sie noch bis zum 24. November im „Alten Hamburger Jachtclub“ bei „Gerresheim“ in Finkenwerder zu sehen ist. 

Eine Kammer der Scheune hat sich Jonas neuestens sogar beheizbar eingerichtet. Hier werden die Jungs bemalt, sehr sparsam: Kuller-augen bekommen sie alle, nur manchmal auch Klamotten wie Badebüx oder Matrosenmütze. Das warme Studio ist ein kleines Zugeständnis an den Komfort. Eigentlich arbeitet er gern das ganze Jahr über draußen mit Blick in den Garten. Wenn’s regnet, gibt es über seinem Sägeplatz eine Markise, ist besser fürs Holz … Seit auch der Jüngste das Abitur hat und nicht mehr um halb sechs morgens raus muss, die zwei Töchter sind schon aus dem Haus, gibt es noch ein neues Prinzip: „Ich arbeite nicht mehr im Dunkeln. Früher ging hier um 06.15 Uhr das Flutlicht an, wenn’s sein musste.“ Jonas ist stolz darauf, mit seiner Kunst seine Familie ernähren zu können. Als sie hierher zogen, war Ami gerade mit der ersten Tochter schwanger. Jonas hatte aus Überzeugung seinen Top-Job als Illustrator bei einer Werbeagentur gekündigt, „beruflich die klügste Entscheidung meines Lebens“, und machte lieber Kinderbücher. Doch die Bezahlung der Verlage war eher mau. Irgendwie kam ihm die Idee, seine Figur statt auf Papier mal als Unikat aus Holz erstehen zu lassen. Kam gut an. Seit 20 Jahren gehen die Jungs jetzt von Krautsand aus in alle Welt, einige sogar auf See. Kinderbücher macht er auch noch. Mehr zu seinem eigenen Spaß, das Zeichnen ist seit Schulzeiten seine Leidenschaft: „Dabei kann man aus Nichts eine ganze Geschichte machen, die Figuren sprechen lassen, eine Landschaft erschaffen – und das war vorher alles nur hier drin“, tippt er sich an die Stirn. Sein Zeichenatelier ist im Wohnhaus oben unterm Dach. Über 40 Bücher hat er hier schon gemacht, zeichnet für Zeitschriften, Werbeagenturen und Postkartenverlage. Sein neuestes Bilderbuch heißt „Der Krautsander Gesang-verein“ und ist so lustig wie der Titel. Natürlich sorgsam recherchiert:
Die Typen gibt es wirklich – Jonas singt mit. 

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