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Eis, Eis, Baby!

INITIATIVE

Text: Regine Marxen | Fotos: René Supper

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Diesen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe 62

Sie trugen Samt-Bikinis, Neopren-Handschuhe, bunte Badeklamotten, Glitter im Gesicht – und dicke Wollmützen auf dem Kopf. Rund
200 hartgesottene Wasserratten hatten sich im November vor der „Strandperle“ in Övelgönne
versammelt, bereit, in die Elbe zu springen. Für Menschen, die Wärme brauchen. Eisbademeisters-Hamburg-Chefin Katharina Lohse stand inmitten der Menge auf einer Kiste, erläuterte kurz den Ablauf, das Spendenziel, gab das Startsignal. Ab in die Fluten. Die Eisbademeisters-Saison 2023/2024 war eröffnet.
Von Anfang November bis mindestens Ende Februar gehen die Eisbademeisters Hamburg ins Wasser. Jede Woche. Der Tag: Freitag oder Samstag, abhängig von den Gezeiten. Der Ort: vor der „Strandperle“. Alle, die Lust haben,
können mitmachen. Je mehr, desto besser. Denn für jede Person, die ins Wasser geht, spenden Paten eine bestimmte Summe für einen guten Zweck. Meistens sind es zwischen zehn und 30 Euro pro Kopf. Die Spenden-
paten sind Hamburger Unternehmen oder auch Privatpersonen.
Das Geld kommt meist Institutionen aus der Hamburger Obdachlosenhilfe zugute, zum Beispiel dem Kältebus vom „CaFée mit Herz“, dem „Hamburger Gabenzaun“ oder dem Verein „Der Hafen hilft“. Gelegentlich kommen weitere Organisationen ins Spiel. Der Palliativ-Förderverein „Agaplesion“ erhielt die Spenden des Anbadetages 2023. Eisbademeisters-
Hamburg-Mitbegründerin Carola wurde dort auf ihrer letzten Reise begleitet, das erste Kältebad der Saison war ihr gewidmet. Im Januar bibberten die Badenden gegen Rechts, im Februar frieren sie für den Verein „Sozialfelle“ und die „Tiertafel“.
Die, die das möglich gemacht hat, ist
Katharina Lohse aus Barmbek. Sie hat die Idee nach Hamburg geholt. Ursprünglich kommt die Aktion aus Rostock, eine Freundin hatte dort daran teilgenommen und Bilder gepostet. „Ich habe es zu Beginn nicht verstanden“, erinnert sich Katharina. „Die Leute geben Geld, nur weil andere ins Wasser gehen?“ Sie war angefixt. Wenn das in Rostock funktioniert, warum sollte es nicht in einer großen Stadt wie Hamburg gehen? Zusammen mit ihrem Mann Michael und ihrer Nachbarin Carola machte sie sich an die Umsetzung. Die beiden Frauen badeten in der Elbe, ließen Fotos und einen Werbeflyer produzieren. Sie organisierten Spendenpaten. Logo und Namen der Initiative durften sie verwenden, das machte es einfacher. Ihr Bade-
Debüt widmeten sie „Hanseatic Help“. Der Verein ist medial sehr gut aufgestellt, seine Pressemeldung sorgte für viel Aufmerksamkeit. „Am 29. Januar 2021 sind wir dann mit Pauken und Trompeten gestartet. Im Sturm und Schnee, bestes Eisbadewetter.“
Seitdem schwimmen sie auf der Erfolgswelle, die Initiative hat sich etabliert. Wenn wenig los ist, kommen rund 50 Menschen zum Kaltbaden, in Spitzenzeiten um die 200. Neue und Stamm-Bader wie Christine und ihr Mann Gerd aus Wentorf. Sie geht ins Wasser, er wartet mit warmen Klamotten an Land. Oder wie Marcel, der das Kältebaden daheim in einer Regentonne trainiert. Die Stimmung zu Lande und zu Wasser ist herzlich. Ganz schön viel Wärme für so eine frostige Angelegenheit. Aber das ist ja auch das Ziel, Wärme spenden.
70.000 Euro haben die Eisbademeisters Hamburg in der Saison 2022/2023 für Obdachlose und Bedürftige gesammelt.
Katharina und ihr Team setzen sich dabei nie feste Spendenziele.
„Jeder Euro, der in der Kasse landet, freut uns“, sagt sie. Das Kern-Orga-Team ist inzwischen zu viert, jeder und jede von ihnen hat ein festes Aufgabengebiet. Michael Lohse und Sabine Klintworth sind die Landratten. An Badetagen nehmen sie die Namen der Teilnehmenden auf, haben das Geschehen vom Strand aus im Blick und betreuen den kleinen Spendenstand. Katharina hat den Hut auf, Klaus Stieper ist der Vierte im Bunde. Er akquiriert Spendenpaten, sorgt für Vernetzungen. Angefangen hat er als Stamm-Bader. Über einen Kollegen hat er damals von den Eisbademeisters Hamburg erfahren. „Ich war sofort fasziniert. Weil die Idee so cool und einfach ist.“ Irgendwann im zweiten Jahr sprach ihn Katharina an, ob er nicht Lust hätte, sie organisatorisch zu unterstützen. Hatte er, hat er immer noch. „Das hier entspricht meinem Credo: Nicht nur darüber schnacken, sondern machen.“ Die vier sind ein agiles Team. Das muss so sein. Die Idee kommt einfach daher, aber es steckt viel Arbeit in dem Verein. Kommunikation,
Aktualisierung der Homepage, Anmeldung der Eisbademeisters-Tage, Buchhaltung. Das sind nur einige der Aufgaben, die das Team ehrenamtlich stemmt. Fünf bis zehn Stunden arbeitet Katharina in der Woche für das Projekt. Im Sommer ist dann Pause, aber bereits im September würden sie gemeinsam wieder die kommende Saison vorbereiten, sagt Katharina. Die Arbeit schweißt zusammen, das Ergebnis aber noch mehr. Dabei geht es ihnen nicht nur um die Spendensummen. Die sind wichtig, klar. Sie wollen aber auch den Vereinen eine Bühne bieten, die in Hamburg ehrenamtlich so viel für andere Menschen leisten. „An der Front“, sagt Katharina. „Denn wir machen hier nur die Show und das nette Programm.“

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