top of page

Für den Vollbildmodus bitte auf ein Bild klicken

Newsletter Exklusiver Content Button.png

New Jazz in Town

CLUB

Im neuen „Nica Jazz Club“ am Alsterfleet sorgen Fee Schlennstedt und Robert von Bennigsen nicht nur für gute Musik. Wer eintritt, begreift sofort, dass dieser Club mit den abgerockten Jazz-Kellern aus den 1960er-Jahren so viel gemein hat wie ein Sterne-Restaurant mit einer Raucherkneipe.

Text: Peter Wenig | Fotos: Julia Schwendner

DH2002_Titel_S.jpg

Diesen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe 66

Willkommen im „Nica Jazz Club“, wo das neue Herz der Hamburger Jazz-Szene schlägt. Der Weg führt durch die Hamburger Schatzkammer. Vom Jungfernstieg über den Rathausmarkt zum Alten Wall, vorbei an repräsentativen Geschäftshäusern. Über einen Gang schreitet man Richtung Alsterfleet und erreicht nach wenigen Metern eine massive Glastür mit der Aufschrift „Live Jazz“. Bis zu 300 Mal im Jahr konzertieren hier nun Live-Bands.

An diesem Abend tritt das israelische Jazz-Trio Shalosh auf, relativ unbekannt, dennoch ausverkauft. An anderem Abend Weltstar Dee Dee Bridgewater, beim Fototermin dann das Omer Klein Trio, absolute Szene-Stars. Während die Gäste Drinks ordern, bitten Fee Schlennstedt und Robert von Bennigsen zum Gespräch in ihr Büro im ersten Stock.

Zusammengebracht hat die beiden, wie könnte es anders sein, ein Musiker. Dieter Ilg, einer der renommiertesten Jazz-Kontrabassisten, wusste, dass von Bennig-sen unbedingt in seiner Heimatstadt einen Jazz-Club eröffnen wollte. Und Ilg kannte Fee Schlennstedt gut, Geschäftsführerin des Clubs „Quasimodo“ in Berlin, die zuvor den Münchner Club „Unterfahrt“ und das Kulturprogramm auf Schloss Elmau verantwortete. Vor dem ersten Treffen im Januar 2020 mit von Bennigsen war Fee Schlennstedt skeptisch: „Ich dachte, das ist wieder so eine Heißdüse, die nicht weiß, wie schwer es ist, in dieser Branche wirtschaftlich zu überleben.“ Aber da hatte sie sich getäuscht. Der Jurist lebt zwar seinen Traum, aber er ist kein Träumer, sondern nach Jahrzehnten in Top-Positionen der Versicherungsbranche eben auch ein Mann der nüchternen Zahlen. Die beiden gründeten eine Gesellschaft und schrieben einen Businessplan. „Unser Ziel war, dass wir idealerweise nach drei Jahren eine schwarze Null erreichen.“

Nun genügt ein Blick auf die Seite des Hamburger Clubkombinats, dem Interessenverband von mehr als 100 Musikspielstätten, um zu erkennen, wie ambitioniert dieses Vorhaben ist. Die Mitglieder klagen im Schnitt über einen Umsatzrückgang von elf Prozent und einen Gewinneinbruch von 20 Prozent gegenüber 2023. Bundesweit kämpfen viele Clubs ums Überleben. Kann die Rechnung der „Nica“-Macher in solchen Zeiten aufgehen? Der Start jedenfalls verläuft verheißungsvoll. Die meisten Gastspiele sind ausverkauft, ein intimer Kenner der Szene stellte erstaunt fest, dass er viele Gesichter noch nie bei einem Jazz-Konzert gesehen hat. Offensichtlich hat das „Nica“ einen neuen Markt erobert.

Jazz-Fans, die gute Musik in einer gepflegten Atmosphäre genießen möchten. Mit ausgezeichneten Drinks und feinen Snacks. Und einem Programm, das zumindest in Deutschland seinesgleichen sucht. Dank ihres Netzwerks gelang es Fee Schlennstedt sogar, einen Star wie die US-amerikanische Jazz-Sängerin und Schauspielerin sowie zweifache Grammy-Preisträgerin Dee Dee Bridgewater zu verpflichten.

Über den Zulauf freut sich niemand mehr als die beiden Gründer. Ihr Weg war hart. „Ich hatte schlaflose Nächte“, sagt Fee Schlennstedt. Vor allem der Schallschutz riss ein riesiges Loch in das mit 1,1 Millionen
Euro kalkulierte Budget. Allein die maßgefertigten Stahlfedern, die benötigt wurden, um die Bühne schalltechnisch zu entkoppeln, kosteten ein Vermögen. Auch die schallentkoppelte Installation der Tontechnik wurde viel teurer, so entstanden 300.000 Euro Mehrkosten. In ihrer Not wandte sich Schlennstedt an den Senat, der aus dem Sanierungsfonds „Hamburg 2030“ der Hansestadt 250.000 Euro spendierte. „Das hat uns gerettet“, sagt die Clubchefin. Die „Nica“-Macher profitierten zudem vom Entgegenkommen des Vermieters. „Wir wollen ein Quartier entwickeln, das auch nach 18 Uhr noch lebt. Deshalb war uns klar, dass wir mehr brauchen als nur Handel und Büros. Kunst ist dafür ein ganz wichtiger
Schlüssel“, sagt Martin Wolfrat, Manager bei Art-Invest Real Estate. Das Unternehmen hat das Ensemble am Alten Wall mit viel Fingerspitzengefühl modernisiert und umgebaut – auch das neue Paradox Museum fand hier eine Heimat. Fasziniert hat Wolfrat die Leidenschaft, mit der Schlennstedt und von Bennig-sen das Projekt angehen.

Wer die beiden beobachtet, spürt, was er meint. Fee Schlennstedt wirbt bei den Gästen für Verständnis, wenn es beim Service noch haken sollten: „Wir sind noch in der Startphase. Aber unsere Crew gibt alles.“ Von Bennig­sen beseitigt mit einem Küchentuch winzige Flecken auf dem Tresen, holt Stühle für spät kommende Gäste. Gestritten, sagt er, hätten sie sich auch in den größten Krisen nie. Auch beim Namen des Clubs waren sie sich sofort einig. Von Bennigsen dachte an „Stock Exchange“, passend zum benachbarten Saal der Handelskammer: „Aber Fee hat dann nur gesagt, ich habe schon einen Namen: ,Nica‘.“
Die Baroness Pannonica de Koenigswarter (1913 bis 1988), genannt Nica, gilt als größte Mäzenin des Modern Jazz. Die Nachfahrin der englischen Rothschilds kämpfte im Zweiten Weltkrieg in Frankreich und Afrika gegen das NS-Regime, förderte später in New York gegen alle Widerstände vor allem schwarze Musiker.

Wenn Nica diese Künstler bei Auftritten begleitete, spuckten Weiße vor ihr aus oder wechselten die Straßenseite. Sie stieg einfach in ihren Bent­ley, hielt die Tür auf für Musiker wie Thelo­nious Monk. Eine Jazz-Enthusiastin, die sich nie entmutigen ließ. Eine bessere Schutzpatro­nin hätten die Gründer nicht
finden können.

bottom of page