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OmaLiebe-Ultras
LUNCH CLUB
Schürze an, Kochlöffel gezückt: Wie der „OmaLiebe Lunch Club“ die Hansestadt erobert, Generationen verbindet und dabei wohlige Erinnerungen weckt an früher daheim.
Text: Peter Wenig | Fotos: Sebastian Fuchs
Diesen Artikel finden Sie in Ausgabe 69
Noch etwas Salz? Pfeffer vielleicht? Oder lieber Knoblauch? So jedenfalls, sagen die vier Damen nach dem ersten Probieren, könne der Weißkohleintopf mit Kabanossi nicht serviert werden. „Schmeckt irgendwie Oma-mäßig“, sagt eine, woraufhin sich alle köstlich amüsieren. Prankt doch der geschwungene rote Schriftzug „OmaLiebe“ auf all ihren grauen Schürzen. Der Spätsommer schenkt dem „Café Lorenz“ im Schanzenviertel noch ein paar letzte Sonnenstrahlen. Doch dafür haben Helga Mandel (70), Gerlinde Mahler (77), Gretta Guilarte (67) und Monika Fuchs (87) heute keinen Blick. Sie schnippeln Petersilie, zerteilen beherzt Weißkohl und schälen Kartoffeln. Um zwölf Uhr, so der Plan, soll das Essen fertig sein. Das Geschmacksproblem löst einfach ein kräftiger Schuss Weinessig.
„Unsere Omas haben Ehrgeiz. Die wollen immer zeigen, dass sie keine Laienspielschar sind“, sagt Boris Rogosch, seit Jahren nicht nur für den HAMBURGER Experte für gutes Essen. Der Macher des Podcasts „Foodtalker“ wollte ursprünglich quer durchs Land reisen, um traditionelle Rezepte zu sammeln. „Doch dann habe ich mir gedacht, dass es doch viel praktischer wäre, wenn die Omas an einem Ort in Hamburg zusammenkommen, um hier zu kochen.“ Die Idee für den „OmaLiebe Lunch Club“ war geboren.
Rogosch holte mit Monika Fuchs, Deutschlands ältester YouTube-Köchin, und Simone Lücking, Inhaberin des „Café Lorenz“, zwei Mitstreiterinnen an Bord.
Im November 2024 startete der Club – und wurde überrollt von einer Erfolgswelle. „Manchmal stand schon eine halbe Stunde vor der Öffnung eine Schlange vor der Tür. Wir haben bis zu 70 Essen pro Mittag ausgegeben.“ Da saßen dann Banker, Influencer, Werber, lauter Nachbarn aus der Schanze bunt gemischt quatschend an kleinen Tischen rund um eine goldrandbewehrte Servierschüssel mit dampfendem Gulasch und verbrachten mal eine so ganz andere Mittagspause. Irgendwas am Essen wird es sein, das Omas Gäste schnell in Familientisch-Stimmung bringt. Bewältigen ließ sich der Andrang nur, weil sich immer weitere Seniorinnen fanden, die mitkochen wollten, inzwischen sind es schon über 20.
Um die Euphorie um die „OmaLiebe“ zu verstehen, reicht ein Blick auf das Preisschild: zwölf Euro für das Hauptgericht, zwei Euro der Salat und zwei Euro für die Quarkspeise mit Früchten, sowie ein Biss in den Weißkohl. So günstig und köstlich wird man in Hamburg sonst kaum essen können – auf Wunsch gibt es Nachschlag. „Total lecker“, sagen auch die drei Gäste am Fenstertisch. Ihr Lob hat Gewicht: Sie arbeiten für das benachbarte Sterne-Restaurant „Jellyfish“.
Das „Café Lorenz“, das nicht nur wegen seines exzellenten Kuchens als Geheimtipp in der Schanze gilt, bietet die perfekte Kulisse für das Menü. Simone Lücking hat an der Margaretenstraße ein kleines Paradies geschaffen – mit viel Holz und Glas, Vintage-Möbeln und einer klassischen Siebträgermaschine auf dem Tresen. Nicht Oma-mäßig, sondern einfach nur heimelig und gemütlich.
Die Köchinnen freuen sich über die Komplimente. „Immer wieder schön, wenn es den Gästen schmeckt“, sagt Monika Fuchs. Sie kochte in der Sendung „Kitchen Impossible“ gegen Tim Mälzer, verköstigte 16 Jahre lang die Gäste und das Team der Talkshow von Reinhold Beckmann. Auf Instagram folgen Monika Fuchs mehr als 25.000 Fans, über 220 Episoden ihrer „Terrassenküche“ gibt es auf YouTube. Und doch schenkt ihr der „Lunch Club“ mehr Freude als jeder virtuelle Erfolg. „Wir holen Omas aus dem Fernsehsessel zu uns in die Geselligkeit“, sagt sie. Immer wieder beobachtet sie, wie neue Kolleginnen ihre Scheu überwinden und dann „mit richtig viel Stolz das Essen servieren“. Wer mitkochen will, kann sich einfach bei Rogosch über die Website melden.
Der kulinarische Horizont weitet sich mit jedem Neuzugang. Helga Mandel, aufgewachsen in der Nähe von Passau, punktet mit Leberkäs und bayerischem Kartoffelsalat, Gretta Guilarte, geboren in Venezuela, begeistert mit einer Hühnersuppe aus ihrer Heimat. Doch im Mittelpunkt bleiben Klassiker wie Königsberger Klopse, Senfeier, Hühnerfrikassee, Rinderrouladen und Steckrübeneintopf. Gerlinde Mahler sieht es als kulinarische Traditionspflege: „Viele junge Leute kennen diese Rezepte ja gar nicht mehr.“ Wobei die Omas selbst nie nach Rezept kochen. „Vieles entscheiden wir spontan“, sagt Monika Fuchs. Nur bei den Zutaten gehen die Köchinnen keine Kompromisse ein. Da ist das Beste gerade gut genug. Damit die Kosten nicht aus dem Ruder laufen, freut sich Rogosch über Kooperationen mit Lieferanten. Etwa mit Hof Hinrichs: Das Dithmarscher Unternehmen mit einer Hofladen-Dependance in der Hudtwalckerstraße spendierte für den Lunch an diesem Tag das Gemüse.
Jeder Lunchtermin ist ein generationenübergreifendes Erlebnis. Denn angesichts der vergleichsweise günstigen Preise gönnen sich auch Studenten mal eine Mensa-Auszeit. „Die erklären dann im Gegenzug unseren Köchinnen, wie man sich ein Instagram-Profil anlegt“, sagt Rogosch. OmaLiebe-Ultras müssen allerdings flexibel sein. Wo und wann wieder gekocht wird, entscheidet sich kurzfristig. Neue Termine im „Café Lorenz“ wird es wahrscheinlich erst wieder im Herbst 2026 geben. Die Omas mögen Abwechslung und immer neue Begegnungen – im Oktober waren sie schon zum zweiten Mal in der „Kleinen Rast“ an der Elbe und in der „Hygge the farm“ in Nienstedten. Im „OmaLiebe Kochclub“ in der Cucinaria in Eppendorf tischen sie momentan alle 14 Tage für sich und zusätzliche Portionen auf, die verteilt werden an Seniorinnen, die das selbst nicht mehr können oder schlicht nicht genügend Geld haben. Und sie haben noch mehr Ideen in der Mache.
Ein Kochbuch mit Omas besten Rezepten wird 2026 erscheinen, Kochkurse sind ebenfalls geplant. Und ganz wichtig: Die Omas gehen voll mit der Zeit. Von Anfang an willkommen sind seit Kurzem endlich auch zwei Opas mit im Club.
















