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A touch
of boheme

SUPERIOR VINTAGE STYLE SHOP

Text: Andreas Wrede | Fotos: Hylmar Möckel | Styling: Markus Galic

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Diesen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe 52

Um die Ecke steht ein alter Kiosk, so in der Mitte der Colonnaden, unterhalb des kleinen Verkaufstresens liegen einige vergilbte Taschenbücher. Wir haben es offenbar mit einem gebildeten Kiosk-Betreiber zu tun: Flaubert, Zweig, Homer, Melville stehen hier als ältere, gleichwohl stolze Taschenbücher. Und nur unweit davon befindet sich Rudolf Beaufays, der Superior-Vintage-Style-Shop, spezialisiert auf Secondhandkleidung für Männer. Der Standort passt. Genauer gesagt liegt der Laden in der doch eher unauffälligen Büschstraße, einer lediglich kurzen Verbindung zwischen Gänsemarkt und den immer noch unterschätzten Colonnaden, die sonst nur „Casse-Croûte“-Gänger kennen.

Hier treffe ich Meisun Farhat, 46, der inzwischen diese weit über die Grenzen Hamburgs legendäre Schatzkammer gehört. „Schon früher habe ich viel bei Rudolf eingekauft“, sagt Meisun, denn sie schätzte den extraordinär guten Kleidungsgeschmack des Stilgenies, das heute 75 Jahre alt ist und zurückgezogen in Hamburg lebt. Ihn hatte es nach Paris, London, Los Angeles getrieben, immer auf der Suche nach Vin­tage – seien es Oberhemden, Blusen, Schuhe, Anzüge, Barbour-Jacken oder Accessoires. „Rudolf hatte einen einmaligen Blick für diesen Stil.“ Als er aus dem Ausland wiederkam, eröffnete er 1999, der Eingangsbereich erinnert an Art déco, die Beaufays’sche Stilsicherheit beginnt schon am Entree. Und was hat nun Meisun Farhat, die Ärztin für Anästhesie und Intensivmedizin mit Vintage zu tun? „Rudolf hatte mich gefragt, ob ich nicht mal aushelfen wolle … aus einem Nachmittag wurden drei … und bald hatte ich einen Schlüssel.“ Ihren Beruf hat sie nicht aufgegeben, „dazu hänge ich zu sehr daran, und es gibt schließlich Nachtschichten.“
2017 hat sie schließlich das Geschäft gekauft, den Namen selbstverständlich beibehalten – Rudolf Beaufays ist inzwischen eine Vintage-Marke für sich allein. „Was ich zunehmend bemerke“, unterstreicht Meisun, „es kommen mehr junge Leute in den Shop.“

Dies habe bestimmt mit der Nachhaltigkeits-Debatte in unserer Gesellschaft zu tun – „die Sachen, die man hier kaufen kann, sind nicht nur von exzellenter Qualität, ich kann jedem Kunden genau sagen, woher sie stammen.“ Ergo kein anonymes Piece mit einem dicken Preisschild, sondern authentische Einzelstücke mit Geschichte. Was macht grundsätzlich die Faszination von Vintage-Style aus? „Qualität und Individualität“, betont Meisun Farhat. Abgesehen davon: „Unsere Kunden finden schon mal Streichholzbriefchen, Hochzeitseinladungen oder eine Theaterkarte in Innentaschen.“ Superior Vintage Style erzählt halt immer wieder schöne vergangene Geschichten, die bis ins Jetzt reichen. Deswegen, zum Beispiel, kommt Hollywoodstar Susan Sarandon in die Büschstraße, wenn sie in Hamburg ist, um sich neu mit Vintage einzukleiden. Meisun Farhat gerät selbst ins Schwärmen, spricht sie über die Kleidung: „Handgemachte Knöpfe, beste Stoffe, Sakkos mit Rosshaar gefüttert, Schuhe aus Pferdeleder, seltene Accessoires – wer zu uns kommt, weiß dies alles zu schätzen, und er oder sie hat im Vorfeld schon die Imagination, was an Vintage zu ihm oder ihr passt.“ Natürlich spielen große Marken bei Rudolf Beaufays eine wichtige Rolle: You name it, Meisun has it … Turnbull & Asser, Brioni, Tom Ford, Aqua­scutum, Burberry, Kiton, Barbour, Pucci, Chloé, John Lobb, Alden, Magee …

So oder so: Wer in dieses kleine Reich auf zwei Etagen eintaucht, sollte Zeit mitbringen. Schon allein das wunderbare oldschool Interior lädt zum Verweilen ein, das Anschauen und Anfassen der Ware, die Augen erfreuen sich an zahllosen Details im Laden wie Gürtel, Koffer, Schlipse, Seidentücher, Kilts … Meisun Farhat führt diesen ganz besonderen Shop im Geiste von Rudolf Beau­fays weiter, „ganz bewusst“, wie sie es sagt, denn Typen wie Rudolf Beaufays sind inzwischen in unserer Welt nur noch eine kleine, ganz besondere Minderheit, die es zu erhalten gilt. Wie fein, dass es da Menschen gibt wie Meisun Farhat, die sich in derartiger Tradition sieht, sie hegt und pflegt. Auch ein wenig durch abendliche Cocktail-Events, bei denen Bernhard Roetzel aus seinem Klassiker „Der Gentleman: Handbuch der klassischen Herrenmode“ liest. In diesem Herbst wird es wieder einen unvergesslichen Abend geben. „Vor allen Dingen mit den Kunden, die uns durch die Pandemie die Treue gehalten haben“, sagt Ärztin und Lordsiegel-Bewahrerin in Sachen Vintage.
Es gibt übrigens auf der anderen Seite des Atlantiks, in Downtown New York City, auf der Wooster Street zwischen Spring and Prince den Kultladen „What Goes Around Comes Around“, Finest Luxury Vintage, seit 1993. Früher schon berühmt für Klamotten, die mit jener Liebe, Fantasie und Sorgfalt ausgesucht und dekoriert werden wie bei Beaufays in der kleinen Büschstraße. Das passt.

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