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Kulturerbe

WE ARE BOOKBINDERS

Text: Andreas Wrede | Fotos: Giovanni Mafrici

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Diesen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe 57

Das Designstudio Paperlux hat sogar für Hamburger Verhältnisse eine ziemlich beeindruckende Kundenliste: Ob nun „Lanserhof“ oder Seidensticker, Hermès oder Leuchtturm 1917, Moët Hennessy oder Dedon, Cartier oder Mercedes-Benz Mobility – das Who’s who luxuriöser Unternehmen wird hier kreativ versorgt. Was das mit der Buchbinderei Begemann zu tun hat?

Erzähl’ ich Ihnen: Soraya Kuehne und ihr Mann Max konstituierten 2006 Paperlux. Paper? „Auch wenn wir heute noch mit anderen, spannenden Werkstoffen und im digitalen Bereich arbeiten, liegt uns Papier besonders am Herzen“, betont sie. Da passt es, dass ihr Studio im Schanzenviertel in einem ehemaligen Pferdestall zu finden ist, alte Holzbalken atmen Hamburger Historie. Und dazu passen wiederum die unwiderstehlichen Räume in einer ehemaligen Maschinenfabrik, in der Karen Begemann bereits 1987 ihren buchbinderischen Meisterbetrieb liebevoll lokalisierte. Eine bezaubernd glänzende Perle der Handwerkskunst. Die Buchbinderei befindet sich am Rande des Karolinenviertels in einem dieser Hinterhöfe, an denen man vorbeiliefe, wäre man nicht neugierig genug, zu schauen, was es dort zu entdecken gäbe. Karen Begemann starb im Mai 2020 viel zu jung mit 59 Jahren. Die Obermeisterin der Buchbinder-Innung Hamburg und Schleswig-Holstein sammelte zahlreiche Auszeichnungen und Preise ein, wovon sie freilich niemals Aufhebens machte.

Gleich eine der ersten Kooperationen von Karen Begemann mit Paperlux war eine Mammutaufgabe, erinnert sich Soraya. „Wir wollten für Hermès ein 13 Meter langes Leporello bauen, auf dem eine Jacht abzubilden war.“ Dieses Muster-Projekt erforderte von allen Seiten neben Kreativität noch Geduld, Innovationskraft und Material-Beherrschung. „Wenn’s knifflig wurde, hatten wir in Karen eine kongeniale Partnerin.“ Als klar war, dass sie die Buchbinderei nicht mehr weiterführen konnte, kam sie mit Soraya, der Frau für die Zahlen, und Max, dem Mann fürs Kreative, ins Gespräch zwecks einer Übernahme. Nur, der Tod machte nicht mit. So ging Karen Begemann aus dieser Welt, und plötzlich hatte die Corona-Pandemie uns alle im Würgegriff. „Da erwischten uns zwei Schockwellen, eiskalt und hinterrücks“, sagen die beiden Paperluxer unisono. „Erst der Tod von Karen und dann der Shutdown. Und wir mittendrin in den Überlegungen, den schönen Laden fortzuführen.“ Mitsamt dem Team sowie den alten, intakten Gerätschaften wie etwa der uralten Perforationsmaschine, die be­reits über sechs Jahrzehnte auf dem Buckel hat.

Doch beide gaben sich gemeinsam einen Ruck und wagten es, die Buchbinderei zu übernehmen, der Name Begemann blieb erhalten. Nur eben der Zusatz „We are Bookbinders“ kam hinzu. „Denn wir haben neben den nationalen auch viele internationale Kunden“, betont Soraya, und ihr Mann ergänzt: „Übrigens hat die UNESCO die Buchbinderei zum immateriellen Kulturerbe ernannt.“ Wichtig zum Schutze dieses bemerkenswerten Handwerks. So hat man – ausdrücklich eine Teamleistung – in Corona-Zeiten einen umfänglichen Vertrag zwischen zwei Pharma-Riesen an Land ziehen können, verbunden mit Verschwiegenheitserklärungen, versteht sich. Selbstredend, dass auch Tage- und Notizbücher, Hochzeitsalben und Dissertationen handwerklich-kunstvoll gebunden werden. Ebenso wie etwa exklusive Schachteln und Schuber. Oder einzelne Buch-Exemplare, deren Titel handgesetzt und lithografiert sind, da kostet ein Buch schon mal 800 Euro. Sammlern – oder sind es schon Connaisseure? – ist es das wert. Exklusive Speise- oder Barkarten, spezielle Mappen sowie gebundene Jahrgangs-Ausgaben gehören zum Handwerks-Feld dieser feinen Adresse.

Und der Nachwuchs wird gefördert in Person der Auszubildenden Helene Leu: „Bücher finde ich cool, schon in der Schule und nach dem Abitur hab’ ich hier einfach mal nach einem Praktikumsplatz gefragt.“ Aus dem Praktikum wurde eine Ausbildung zur Buchbinderin. Dazu zählt der Besuch der Berufsschule in Neumünster. Hier lernt sie: Wie wird Papier hergestellt, wie veredelt, wie funktioniert Lumbecken, mit welchen bisweilen altmodisch anmutenden Maschinen wird sie arbeiten im zweiten und dritten Lehrjahr. Der Buchbinderei will sie die Treue halten. Gabriele Weise lernte von der Pike auf, mit diversen Buchbinder-Maschinen zu arbeiten: „Ich fand gerade bei diesem Beruf die Mischung aus praktischem Handwerk und
gestalterischem Ideenreichtum immer klasse.“ Was ihrer Meinung nach die Buchbinderei Begemann auszeichnet? „Dass man im Team alle Arbeitsschritte begleiten und sich doch stets individuell weiterentwickeln kann. Und außerdem sind Frauen in Leitungsfunktionen keine Ausnahme.“

Zu Karen Begemann kam Nele Detlowschon 2007, „als ein Kollege in Vaterschaftszeit ging. Eigentlich übergangsweise, aber ich konnte bleiben. Und das habe ich nie bereut.“ Sie hatte vorher noch keine so spektakuläre Buchbinderei kennengelernt. „Wir haben neue Papiersorten ausprobiert, mit modernen Geweben gearbeitet, besondere Klebstoffe getestet, spezielle Prägefarben erfunden.“ Für Tage, gar Wochen wurde probiert – „bis es geklappt hat.“ Alle arbeiten hier unermüdlich und mit wahrer Freude – sie gestalten, klügeln aus, probieren, kalkulieren, vollenden. Heureka! Wie schön, dass es ein so wunderbares Handwerk noch gibt.

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