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Franz-Josef Höing

 

 

AUTOREN: SIMONE RICKERT & DAVID POHLE

FOTOS: RENÉ SUPPER

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Diesen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe 41

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In Wilhelmsburg, direkt am S-Bahnhof, in dem unübersehbar 
schicken, bunten, energieeffizienten Gebäude residieren seit 2013 die Stadtentwicklungs- und die Umweltbehörde. Ein freund-licher Pförtner nimmt uns in Empfang. Den Oberbau-direktor in dem über 60.000 Quadratmeter großen Büro-gebäude aus-findig zu machen, ist ihm selbstverständlich ein Leichtes. 
Währenddessen haben wir noch kurz Zeit, uns das riesige Stadtmodell im übrigens öffentlich zugänglichen Foyer anzusehen.



Muss ein Oberbaudirektor nicht aus der Stadt kommen, in der er wirkt? Wäre das von Vorteil? Oder von Nachteil? 
Da hab’ ich noch nie so drüber nachgedacht. Ich war eine Zeit lang in Bremen, in Köln, bin jetzt zurück in Hamburg. Am Anfang muss man sich die Stadt natürlich recht schnell 
erschließen. An den wenigen freien Wochenenden habe ich das Rad genommen oder die Bahn oder war zu Fuß die Stadt erkunden, je nachdem, welche Projekte in der folgenden 
Woche anstanden. Man schaut vielleicht unbefangener, hat diesen ganz erfrischenden, manchmal kritischen Blick auf Themen, die unendlich lang und alt sind. Für mich ist es eher ein Privileg, in eine so große Stadt zu kommen. 

Sie wohnen privat in St. Georg?
Genau, ohne dass das irgendwie von Relevanz wäre. Es war ja für mich unverhofft, dass ich den Sprung nach Hamburg machte. Insofern musste ich schnell eine Wohnung finden. Jetzt wohne ich nahe dem Hansaplatz in einer kleinen Dachgeschosswohnung. Das ist für meine Belange okay.

 

Ist doch herrlich mittendrin.

Genau richtig für jemanden wie mich, der nicht so ganz 
übliche Arbeitszeiten hat, abends oft unterwegs ist – und ich meine jetzt nicht in den Gastronomien dieser Stadt – sondern 
auf Veranstaltungen oder hier im Büro. Mir war es wichtig, zentral zu wohnen und die U-Bahn vor der Tür zu haben. 
Insofern war das eine gute Gelegenheit, meine Matratze auszurollen und den Tisch aufzustellen. Ich bin ein Stadtmensch, der auch das Drumherum gernhat. 

Man könnte von dort ja fast mit dem Rad fahren. 
Könnte man, ich benutze die S-Bahn. Und als Oberbaudirektor 
habe ich das Privileg, einen Fahrer zu haben, der mich im Dienstwagen von Termin zu Termin bringt. Das klingt vielleicht dekadent, aber wenn ich das selbst bewerkstelligen müsste, ginge zu viel Zeit verloren. 


Keine einfache Frage zum Einstieg: Der wohl bekannteste Baudirektor mag Fritz Schumacher gewesen sein. Er hat die 
Jarrestadt, den Stadtpark geplant, mit seiner Backstein-
Architektur das Stadtbild sehr geprägt. Die letzte große Stadterweiterung, Hafencity samt Elbphilharmonie, ist in die Amtszeit Ihres Kollegen Jörn Walter gefallen, Egbert Kossak hat sie noch mit vorbereitet. Was ist Ihr Thema, das diese Stadt prägen wird? 
Richtig, ich habe berühmte Vorgänger, die die Latte hoch 
gelegt haben. Meine Themen liegen auf der Hand. Die Stadt wächst in großem Umfang, und wir werden den notwendigen 
Raum dafür finden müssen. Und zwar weitestgehend in der heute schon bebauten Stadt. Prof. Walter und Prof. Kossak 
haben sich in den letzten 30 Jahren sehr mit der Entwicklung 
im Inneren auf zentralen großen Flächen beschäftigt. Die 
Hafencity als Vorzeigeprojekt, aber auch die Bahnflächen in 
Altona. Nun sind andere Lagen im Fokus. Lagen, wo, ich sag’ mal salopp, man bislang unbemerkt arbeiten und wohnen konnte. Das sind die Stadterweiterungsgebiete der 1950er- bis 1970er-Jahre, mit denen wir uns beschäftigen müssen, im Osten wie auch in anderen Lagen dieser Stadt. Dann gibt es das Stichwort 
der Magistralen. Ein Begriff, der fast klingt wie Champs-Élysées, 
aber wir meinen damit etwas anderes als das, eher die Wandsbeker Chaussee. Lange Straßenräume, die Schumacher schon in seinem Fächerplan anlegte. Die spröderen Orte der Stadt, nicht die Tempelbezirke, nicht das weiße Hamburg, das sich an schönen Wasserflächen ausdehnt. Sondern Produkte der Nachkriegsarchitektur. Und wir reden über sehr lange Räume, die nie als Ganzes gedacht und geplant wurden. Zufallsprodukte, geprägt von grellen Kästen, Baumärkten, Tankstellen. Gegen die Nutzung habe ich nichts, das sind Vokabeln der Stadt. Trotzdem ist die Frage, wie flächig machen die sich breit und wie gestalten wir sie?

Sie scheinen ein Bild davon im Kopf zu haben. 
Ich hab’ keine fertigen Bilder. Diese Magistralen sehen sehr unterschiedlich aus, haben ihre eigene Logik: Abschnitte, mal vom Wohnen geprägt, mal „urbanes Plankton“, wie der 
niederländische Architekt Rem Koolhaas diese Nutzung, die sich überall ansiedelt, mal provokativ genannt hat. Sie sind noch zu wenig städtisch. Man kann sich das nicht in der 
Salami-Taktik vornehmen, Grundstück für Grundstück, man braucht eine Gesamtplanung. Ich stelle mir Räume vor, die nicht ausschließlich für den individuellen Autoverkehr 
reserviert sind. Es soll zwar keine neue Ära ohne Autos werden, aber die Mobilität in einer Großstadt sollte nicht ausschließlich davon geprägt sein, dass der Fußgänger fast eine Restgröße ist. Ich werbe dafür, für diese Räume ein Drehbuch zu entwickeln, ohne dass man jede Rolle schon heute besetzen muss. 

Thema Mobilität.
Das ist ein zentraler Baustein, um das Wachstum zu parieren. 
Nur Wohnungen zu bauen, ist schlichtweg zu wenig. Jeder merkt, dass die Verkehrssysteme dieser Stadt vielleicht noch nicht kollabieren, aber ganz schön beansprucht werden. 
Der Hauptbahnhof platzt aus allen Nähten. Die S- und U-
Bahnen müssen ausgebaut werden. Der Radverkehr ist ein zentraler Punkt. Den verbessert die Stadt jetzt ziemlich 
generalstabsmäßig, aber vielleicht etwas unbemerkt. Das Programm ist ehrgeizig und finanziell hinterlegt, also nicht nur ein Thema für Sonntagsreden. Nur zwischen dem Blitz des Entwurfs und dem Donner der Baustelle 
vergeht manchmal auch etwas Zeit.

Gibt es eigentlich eine Faustregel für eine vernünftig verdichtete Großstadt, Quadratmeter pro Mensch? 
Es gibt Richtwerte, die wir in der Bauleitplanung verwenden. 
Die sind von Stadt zu Stadt unterschiedlich. Was in Barcelona 
normal ist, wäre hier unvorstellbar. Ich werbe dafür, zu 
gucken, an welcher Stelle in der Stadt bist du eigentlich und was ist dort angemessen. Das heißt nicht nur möglichst 
viel Brutto-Geschoss-Fläche, sondern auch soziale Vielfalt, 
Mischung von Nutzungen, Gestalten von Flächen. Ein 
zweites großes Thema, nach den Magistralen, ist, sich mit 
den Rändern der Stadt zu beschäftigen. Ein sehr mutiges Projekt, nördlich von Allermöhe gelegen, ist Oberbillwerder. 
Es soll zu einem lebendigen großen Stadtquartier werden, 
mit eindrucksvollen Zahlen: 7000 Wohnungen und 4000 Arbeitsplätze. Das ist schon eine Königsdisziplin. Dort draußen entlang der Schienen, das ist schwieriger als in zentralen Lagen.

Wie muss man sich Ihre Arbeit denn konkret vorstellen, 
geben Sie eine Art Leitlinie vor? 
Das ist die Besonderheit der Position des Oberbaudirektors, 
die es so in Deutschland nur einmal gibt: Er soll sich 
kümmern um das große Ganze und dessen Funktionieren, um die Physiognomie der gesamten Stadt, und gleichzeitig 
eine Vorstellung vom Detail haben. Diese Anforderung finde ich absolut richtig. Wir sollen keine Technokraten 
sein, sondern Gestalter in einem umfänglichen Sinne. 
Am Beispiel Oberbillwerder: In Abstimmung mit den Fachleuten begleite ich diesen Prozess nicht nur, sondern 
koordiniere auch, wie er aufzusetzen ist. Das fängt mit der Definition der Aufgabenstellung an, bis hin zur Frage, wer sitzt in der Jury internationaler Wettbewerbe, und am Ende entscheidet meine Stimme mit, in welche Richtung es dort gehen wird. So ist das bei allen großen Stadtentwicklungsprojekten, Science City in Bahrenfeld rund um das DESY-Areal, Wilhelmsburg oder den Planungen für den Kleinen Grasbrook. Das mache ich nicht wie ein Patriarch, wie die berühmten Vorgänger das vielleicht noch konnten. Auch nicht im stillen Kämmerchen. Mir genügt es nicht, die Fachleute anzuhören, sondern ich möchte auch die Hamburgerinnen und Hamburger einbeziehen. Ich habe großen Respekt vor den Bürgern, die monatelang einen Prozess mit begleiten. Die könnten ja auch auf dem Sofa sitzen und nur meckern. Und das sag’ ich jetzt nicht, weil es für einen Oberbaudirektor politisch korrekt ist, sondern das finde ich wirklich bemerkenswert.

Mit welcher Prognose zum Bevölkerungswachstum 
arbeiten Sie eigentlich? 
Es gibt statistisch ermittelte Zahlen. Je nachdem, wer sie macht, fallen sie unterschiedlich aus. Aber alle Prognosen sagen für die nächsten Jahre ein deutliches Wachstum 
voraus. Und wir Planer sind gut beraten, den Spuk nicht einfach vorbeigehen zu lassen, sondern diesem Wachstum Raum zu geben. Da gilt es, die richtigen Orte zu identifizieren und andere Orte in Ruhe zu lassen. Ich bin nicht der, der Freiräume bebauen will – das grüne Hamburg anknabbern, 
das kann nicht unser Ziel sein. 

Vor diesem Luftbild sitzend kann man sich ja den ganzen 
Tag herrlich treiben lassen …
Ich hoffe, den Eindruck haben Sie nicht von mir (lacht). 

Hinter Ihnen ist Oberbillwerder, drumherum Ackerflächen. Muss man davon ausgehen, dass die in 50 Jahren 
alle bebaut sind? 
Die Entscheidung in Oberbillwerder hat sich die Stadt nicht leicht gemacht. Es gibt weitere Bausteine, die Planung 
einer möglichen Gartenstadt in Öjendorf und eine kleine Erweiterung von Mümmelmannsberg. Der Umbau des Kasernenareals in Harburg-Neugraben ist weit gediehen, und im Fischbeker Reethen entsteht eine Gartenstadt im Südwesten. Das ist es. Ich meine, man darf in dieser Phase 
des erhöhten Drucks nicht alle Freiräume an den Rändern 
preisgeben, die Äcker und Wiesen. Wenn Sie dann in 
Diskussionen am Altonaer Diebsteich dafür werben, dort etwas dichter zu bauen, trifft das aber nicht auf 
Begeisterung – ich würde die Leute dann gern mal mitnehmen nach Oberbillwerder und sie die Debatte dort verfolgen 
lassen. Es gilt, um das richtige Maß zu ringen.

 

Hamburg wird von Bewohnern wie Touristen geschätzt als „grüne Stadt“. Damit sind die Alsterwiesen, Planten un Blomen, der Stadtpark gemeint.
Das sind die besonderen grünen Räume dieser Stadt, die sind aber vielleicht auch nicht wichtiger als die Kultur-landschaft an anderer Stelle. Die Sorge, die viele 
Hamburger haben: Erkennen wir die Stadt nach dieser Wachstumswelle noch wieder? Ist es mit dem „grünen“ Attribut dann vorbei? Da kann ich allen beruhigend zu-rufen: Wir werden den Charakter dieser grünen Stadt nicht 
infrage stellen. Das muss man in aller Deutlichkeit sagen.


Wie weit denkt ein Oberbaudirektor voraus, bis zur nächsten Woche, bis zum Ende seiner Wahlperiode?
Ich hätte kein Problem damit, mal das Jahr 2050 in die Überschrift einer Diskussion zu setzen, das erspart einem vielleicht 
das Klein-Klein und das Beharren. Das ist auch schon in 30 Jahren, ein Wimpernschlag. In dem Zeitraum kann man Szenarien entwerfen, die eine lange Linie entstehen lassen. 

Offensichtlich bringt Ihnen ja Spaß, was Sie machen. Gibt es Projekte, da sehen Sie die Notwendigkeit, und 
andere, bei denen Sie eine ehrliche Begeisterung spüren? 
Es ist erst mal ein Privileg, diese Rolle zu haben. Ich könnte 
nicht sagen, jenes ist nur ein notwendiges Projekt. Das Spannende ist das Zusammenspiel aus den großen Maßstäben, bei denen – das darf ich vielleicht gar nicht sagen – aber auch ich Respekt habe. Einen neuen Stadtteil am Rande der Kulturlandschaft oder den Bau von jährlich 10.000 Wohnungen zu begleiten – das ist eine Verantwortung, der man auch gerecht werden muss. Das haben wir in der Dimension seit 30, 40 Jahren nicht mehr gemacht. Und es lauern eine Vielzahl von Fragen, auf die wir noch keine Antworten haben. Wir kämpfen in der Hamburger Bevölkerung gegen die Bilder der Großprojekte an, die vor 40 Jahren entstanden sind, die auch wir nicht gut finden. Gleichzeitig gucken wir an anderen Stellen, dass auch der letzte Stein noch passt. Der Reiz 
besteht in der Bandbreite, eine strukturelle Vorstellung von der gesamten Stadt zu entwickeln und gleichzeitig eine gestalterische Meinung zu einzelnen Projekten zu haben. Und natürlich gibt es Aufgaben, die man sich nicht herbeigesehnt hat. 

Zum Beispiel? 
Ja, (lacht) da würde ich jetzt kein Beispiel nennen. 

Thema City-Höfe, da spielt der Denkmalschutz rein, Stadtbild, Welterbe. Ist es naiv, die erhalten zu wollen? Schön, sind sie ja wirklich nicht …
Nein, nein. Es gibt Projekte, die haben etwas Symbolhaftes, 
bei denen sich wie in einem Brennglas alles konzentriert. Vom Denkmalschutz bis hin zur Stadtökonomie. Die City-Höfe sind dafür ein Beispiel. Ich beschäftige mich seit meinem Amtsantritt mit dem neuen Entwurf. Die Debatte 
will ich nicht mehr aufmachen, sie ist entschieden. 
Aber ob dieser bilderstürmerische Entwurf seiner Zeit die 
Qualität hat wie beispielsweise die Architektur des Sitzes von Hamburg Süd oder des alten Unilever-Gebäudes? 
Da bleiben die City-Höfe sicherlich meilenweit zurück. 

In Dresden haben sie einfach gesagt, okay, dann haben wir eben keinen Welterbestatus mehr … 
Die Stadt hat sich sehr lange dafür engagiert, den Status setzt 
man jetzt nicht leichtfertig aufs Spiel. Ich gehe davon aus, 
dass es zu einer Verständigung kommt. Ich nehme nicht 
wahr, dass das Weltkulturerbe für Hamburg egal wäre. 
Das ist beeindruckend und Stadtbaukultur par excellence. 


Jedes Jahr kommen ein paar mehr Touristen. Wird das 
Bewegungsmuster dieser Besucher eigentlich auch stadtplanerisch mitgedacht? Oder passiert das einfach? 
Klar beschäftigt uns das. Der Tourismus spielt eine Rolle dabei, wenn wir überlegen, wo wir Akzente setzen. Es ist 
wichtig für eine Stadt, als anziehend wahrgenommen zu werden, für neue Bewohner und Touristen. Wer könnte 
etwas dagegen haben? Man muss sicher an einigen Stellen gucken, dass es nicht überhandnimmt, die Hamburger zu einer Restgröße werden. Aber so weit ist es wohl noch nicht. 
Doch die Stadt ist gut beraten, die Antennen auszufahren und gegenzusteuern. Daher gibt es den Gesetzentwurf des Senats zur strengeren Kontrolle der Vermietungen über Vermietungsportale wie Airbnb: Den Zeitraum, in dem man seine Wohnung vermieten darf, haben wir von sechs auf zwei Monate reduziert. Das wird nachvollzogen mithilfe des Wohnraumschutzgesetzes.

Nächste Sache, Innenstadt: Alter Wall und das Allianz-
Gebäude. Jetzt ist es weg, und es passiert gar nichts mehr? 
Natürlich lässt es mich nicht kalt, dass an einer so prominenten Stelle Stillstand herrscht. Was den Investoren dort passiert ist, ist, dass der Generalunternehmer nicht mit an Bord geht. Und das hat etwas mit der ziemlich überhitzten 
Baukonjunktur zu tun. Es wird zunehmend schwierig, Bauunternehmen und Handwerker zu finden, die in einer 
verabredeten Zeit etwas herstellen. Das geht einher mit 
Kosten, die dadurch deutlich ansteigen und ursprüngliche Kalkulationen infrage stellen. Ich gehe aber davon aus, dass das Quartier dort mit leichtem Zeitversatz aus der Erde wächst. Es ist ein Stück weit Stadt-Reparatur, die man dort betreibt. Der Entwurf lässt den historischen Stadt-Grundriss 
aufleben. Man denke an das Kontorhaus, das am Großen Burstah entstehen wird, von den Londoner Architekten 
Caruso St. John – eine Neuinterpretation von Kontorhaus-architektur in Hamburg. Ich glaube, das wird ganz toll. 
Und was an der Stelle gut sichtbar ist, diesen Sand im Getriebe 
haben wir auch an anderen Stellen. Es ist ein richtiges 
Problem, das die Bauwirtschaft hat. Im Moment ist es kein Leichtes, die Projekte reibungslos ins Ziel zu tragen.

Es ist gut, dass Sie das so erklären können. Denn man fragt sich: Warum wird unsere Schule immer noch nicht fertig, lernen Kinder seit Jahren in Containern? 
Dass das die Leute aufregt, kann ich nachvollziehen. Und sie haben die gleichen Themen, wenn sie selbst in die Rolle des Bauherren schlüpfen, vielleicht in einem anderen Maßstab. 

Haben Sie eigentlich Hobbys? Außer die Stadt erkunden?
Jeder fragt mich das … Ich unterscheide da nicht so. Wenn Sie Oberbaudirektor sind, machen Sie das entweder mit aller Leidenschaft oder Sie fahren nach Hause. Meine freie Zeit ist begrenzt, und ich habe auch keine spektakulären Hobbys zu bieten. Ich klettere keine Felswände hoch und springe nicht Fallschirm. Ich lese manchmal ein schönes 
Buch und höre Musik. Ich weiß, es klingt langweilig, aber mir 
reicht das absolut. Ansonsten freue ich mich, das Privileg 
zu haben, in dieser Rolle zu sein, und habe alle Hände 
damit zu tun, den großen Vorgängern, von denen Sie vorhin 
sprachen, zumindest nachzueifern. Ob einem das dann 
gelingt, werde nicht ich beurteilen, das wird sich zeigen.

 

Aber das ist doch die Idealvorstellung von dem, was man tut! Wollen Sie von Hamburg aus in den Ruhestand 
gehen? Wenn alles gut läuft? 
Ich muss gestehen, auch wenn wir vorhin über lange Zeiträume gesprochen haben, darüber denke ich nicht eine Minute nach. Ich rede auch niemandem nach dem Mund, damit ich hier mein Rentenalter erreiche. Ich habe Lust auf meine Aufgaben, ich mag diese Stadt sehr. Die Aufgaben in Köln waren genauso reizvoll, die Themen der deutschen Großstädte sind allesamt die gleichen. Ich arbeite hier, und das freut mich, und es ist anstrengend und total angenehm. 

Wie empfinden Sie die Neugier auf den Oberbaudirektor in Hamburg? Wir mögen ja Ihren Humor sehr, vor allem weil Sie der Einzige im Raum sind, der nicht mit dem Mundwinkel zuckt, wenn er was vom Stapel lässt. 
Ich bin seit zehn Monate hier, bin auf vielen Veranstaltungen 
und Projekten gewesen. Ich würde nicht sagen, dass mich 
viele kennen. Ich habe mich oft zu Wort gemeldet, das mag dem einen oder anderen noch zu unkonkret gewesen sein, obwohl ich deutlich sage, an welchen Stellen in der Stadt wir 
uns kümmern müssen. Aber ich glaube nicht, dass die Hamburger in dieser Position einen „Lautsprecher“ haben wollen.

Dünnes Eis, hat man den Eindruck. Herr Tschentscher wird ja durchaus dafür kritisiert, dass er zwar viel gut macht, aber wenig darüber spricht.
Eigentlich ist mir das sympathisch, nicht ständig rumzutönen, sondern dann was zu sagen, wenn es notwendig ist. Und ansonsten einfach seinen Job zu machen, sich zu 
kümmern (alle lachen). Vielleicht bin ich da etwas naiv, aber ich glaube, die Hamburger schätzen es, wenn sich einer anstrengt und arbeitet und nicht immer nur rumschnackt. Und ich hab’ einfach richtig viel zu tun! Ich denk’ nicht 
ständig drüber nach, wie ich in den Medien ankomme. 

Elbphilharmonie, man sieht sie aus allen Ecken der Stadt. Und nun kommt der Elbtower, ein bisschen wie aus dem Nichts. 240 Meter hoch, an einer Ecke, die bisher 
verwaist war. Warum baut man dort so ein Ding hin?
Das wird ein Scharnier, der östliche Abschluss der Hafencity, der Auftakt nach Hamburg, prominent wie eine 
Kompassnadel im Stadteingang, der ja noch etwas unorga-nisiert und spröde daherkommt. Wenn es einen Ort in dieser 
Stadt gibt, wo man ein richtig hohes Haus bauen kann, dann in dieser Lage. Mit dem Bau der S- und U-Bahn-Haltestelle hat sie eine höchste Zentralität bekommen, die man auch mit Dichte beantworten muss. Ich finde, der Elbtower ist nicht Größenwahn, sondern eine Größe, die sich dort gut einfügt. An anderer Stelle würde sich dieses Haus im Maßstab vergreifen, aber an diesem unfertigen Ort ist es ein 
guter Auftakt. Und die architektonische Sprache hat etwas mit der Stadt zu tun, ist in diesem weißen Gewand nicht modisch, vordergründig, aber trotzdem sehr eigen. 

Reisen Sie eigentlich gern? 
Es gibt Städte, mit denen Hamburg sich zu Recht immer vergleicht, weil sie eine ähnliche Größenordnung haben. Barcelona zum Beispiel, die Wiener strengen sich auch 
erfolgreich an, bauen neue Stadtteile auf alten Flugfeldern. Die Stockholmer bauen ihre Stadt solide und leise weiter. 
Amsterdam finde ich nicht uninteressant oder auch 
amerikanische Städte wie Boston. 

Ist es Zufall, dass man bei Ihrer Aufzählung dieser Städte denkt, das sind aber auch echt schöne Städte. Über die spreche ich gern im selben Atemzug wie über Hamburg. 
Zufall ist das sicher nicht, womit sollte sich Hamburg 
messen? Bei aller Sympathie für Hannover.

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