Diesen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe 40
Knapp 20 Jahre ist es her, dass ich meine damalige Freundin auf Schloss Weissenhaus bei einem fulminanten Hochzeitsfest zu meiner Frau machen konnte. Wir verließen damals im späten Morgengrauen das Fest und gingen barfuß über die riesige Wiese, die vom Schloss in einer sagenhaften Sichtachse zur Ostsee führt und wo hinter der Kükelühner Mühlenau in der Ferne die Schmiede lag. Damals die einzige Möglichkeit, auf dem 75 Hektar großen Gelände zu nächtigen. Das Schloss? Im Parterre wurde gefeiert, alles andere war gesperrt. Einsturzgefahr. Drumherum? Alte Remisen, Ställe
und andere Gebäude, die alle einte, dass sie komplett zerfallen waren.
Das hat sich geändert. Und das liegt an Jan Henric Buettner, der als Kind seine Ferien häufig an der Hohwachter Bucht – gleich um die Ecke – verbrachte. Denn als Weissenhaus auf dem Markt war, erwarb Buettner 2005 seine Kindheitserinnerung samt Gut, Schloss und dazugehörigem Dorf. Glücklicherweise dachte er groß und fing wenig später an, das baufällige Schlossgut zu einem prestigeträchtigen Luxus-Resort umzubauen, um daraus ein einzigartiges Refugium für Ruhesuchende zu machen, die das Feine und Besondere suchen, ohne auffallen zu wollen. Eine Destination, könnte man sagen, die dem distinguierten Städter die feine Lebensart vom Land präsentiert. Zunächst nur eine abstrakte Vision, schuf er mit unvergleichlicher Weitsicht aus vergessener Geschichte und maroder Bausubstanz etwas wirklich außergewöhnlich Schönes.
Im Juli 2014 wurde unter dem Namen Weissenhaus Grand Village Resort & Spa am Meer eröffnet. Seitdem ist Weissenhaus zwei Mal mit dem World
Luxury Award und vielen internationalen und nationalen Preisen ausgezeichnet worden. Zuletzt als Schönstes Strandresort Europas („Geo Saison“). In einer Liga, wo sonst nur ein paar wenige andere spielen, mehr als ein Ritterschlag. Das renommierte „Feinschmecker“-Magazin setzte noch einen drauf und kürte Weissenhaus zum exklusivsten Hideaway
Deutschlands, eine self-fulfilling prophecy, denn schon ein Jahr später verlieh der Michelin-Führer dem von Christian Scharrer bekochten Gourmet-Restaurant „Courtier“ einen zweiten Stern. Gerade eben wurde mitgeteilt, dass man fortan zum exklusiven Kreis der Relais & Chateaux-Hotels gehöre. Man könnte sagen, läuft für Weissenhaus.
Für Hamburger ist Weissenhaus mit 90 Minuten Fahrzeit immer in Reichweite. Vom Rathausmarkt fährt man über den Horner Kreisel auf die A1 Richtung Norden, lässt Lübeck und Travemünde, wo sie sind, und verlässt die Autobahn vor Oldenburg in Holstein. Nach zehn Minuten liegt die romantische Hochzeitskirche von Hohenstein – es war im Dezember 2000, die Braut kam zu spät – links, und fünf weitere Minuten später steht man vor dem Tor von Weissenhaus, das sich seinen Gästen auf Anfrage öffnet und den kopfsteingepflasterten Weg freigibt, der direkt auf das herrschaftliche, schneeweiße Schloss – von der obersten Stufe warf die Angetraute den Brautstrauß, Magdalena fing ihn – führt, einen Nachfolger des ersten Herrenhauses, dessen Ursprünge ins 16. Jahrhundert zurückgehen.
Hektik und Stress sind bei der Tordurchfahrt gefiltert worden. Umgeben von altem Baumbestand und in direkter Nachbarschaft zur Schlosstherme, die per Tunnel erreicht werden kann, leuchten hier die beiden Sterne vom „Courtier“, die „Asia Bar 1896“ sowie 17 Zimmer, die entweder den weiten Blick zur Ostsee oder in den malerischen Schlossgarten freigeben. Dazu kommen neun weitere Gebäude, die so hübsche wie einladende Namen haben: Back- oder Gärtnerhaus, Badehäuschen, Stellmacherei, Meierei usw. Jüngst kam eine Gartenvilla mit zwei Suiten hinzu, und dieser Tage eröffnet die Orangerie. Aus all diesen Räumen sieht man den norddeutschen Jahreszeiten an der Ostsee mit höchster Gelassenheit entgegen.
Über 40 historische Gebäude sind liebevoll, detailverliebt und mit höchstem Aufwand inzwischen restauriert worden. Darunter – nur Schritte neben dem Schloss am Dorfteich – das alte Gutsgefängnis – eines der ältesten in Deutschland – und jetzt und künftig ohne Insassen, das Kavaliershaus, in dem man stundenlang und ohne Eile mit Schlossteichblick frühstücken kann, sowie das Waschhaus, von wo aus die Floristin das gesamte Resort täglich mit ihren wundervollen Gebinden verzaubert. Ein Bild für sich, wenn sie mit vor knallbunten Blumen überbordendem Caddy zur Auslieferung fährt. Und wer Lust hat, einen schönen Strauß zu arrangieren, der kann sich ihre Tricks zeigen lassen. Überhaupt, so Vollbluthotelier und Geschäftsführer Frank Nagel, gibt es so viele schöne Dinge, die man tun und vor allem auch lassen kann, dass auch bei Vollbelegung niemals der Eindruck entsteht, es wäre überlaufen. „Manche Gäste lassen die Seele auf dem Zimmer baumeln, andere machen einen Kochkurs in der Schlossküche, lernen Rosen zu schneiden im historischen Gewächshaus, entspannen im Spa oder träumen in den Dünen“, weiß Nagel. „Unsere Gäste kennen in der Regel weltweit fast alles. Wenn sie für eine Auszeit zu uns kommen, dann suchen sie zeitgemäßen Luxus auf wirklich allen Ebenen. Wir schaffen hier unaufdringlich eine Bühne, die jeder Gast ungestört mit dem Tempo, was ihm eben lieb ist, bespielen kann.“
Man könnte von Obsession sprechen, wenn man die Liebe zum Detail betrachtet, mit der er gemeinsam mit seiner Frau Natalie Fischer einen Raum schafft, in dem der Gast eine Aufmerksamkeit und Wertschätzung erfährt, wie er sie sonst sicher nur von Freunden kennt. So ist Eile ein Substantiv,
das in Weissenhaus nie erfunden worden wäre. Da Zeit keine Rolle spielt, schlendert man im Bademantel unter alten Bäumen zum Spa oder lustwandelt durch die Alte oder die Neue Lindenallee zum „Bootshaus“ am Strand – übrigens 15 Punkte im Gault-Millau und eine Terrasse, die sonnenuntergangssüchtig macht. Und wenn der Regen mal quer kommt, nimmt man den leisen Fahrservice eines BMW i3 – natürlich ein Elektromobil – in Anspruch.
Weissenhaus hat Glück gehabt. Glück, dass Jan Henric Buettner, der heute auch in Santa Barbara zu Hause ist, damals mit einem abstrakten Ziel und schwerem Gerät anrückte und es Frank Nagel in die Hände legte, das abgeschiedene Kleinod in einen Ort wie keinen anderen zu verwandeln und mit schnörkelloser Präzision eine Atmosphäre zu schaffen, die augenblicklich dazu einlädt, herunter und selbstvergessen zur Ruhe zu kommen. Und ja, es ist wahrlich auch mein Ort wie kein anderer: Die Wiese, die Wiese hinter dem Schloss, sie heißt inzwischen Grand Koppel, wo wilde Rehe neben solitären Laubbäumen äsen, führt immer noch an die Ostsee zur Schmiede. Am Ende gibt es jetzt ein nettes Strandbistro. „Alte Liebe“ heißt es. Und alte Liebe rostet nicht. Nicht zur Frau, nicht zu Weissenhaus. Und ich frage mich, würde ich meine Frau noch mal heiraten? Sofort. Auch in Weissenhaus? Natürlich.