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Kristina Sassenscheidt

 

 

AUTORIN: REGINE MARXEN

FOTOS: JULIA SCHWENDNER

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Diesen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe 42

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Altbauten machen eine Stadt lesbar. Sie sind steinerne Zeugen gesellschaftlicher Entwicklungen. „Die City-Höfe zum Beispiel. Sie gehören zu den ersten nach Kriegsende in Hamburg gebauten Hochhäusern, an prominenter Stelle beispielhaft für die sogenannte Nachkriegsmoderne. Die reißt man nicht einfach ab.“ Kristina Sassenscheidt fügt mit Nachdruck hinzu. „Es geht beim Denkmalschutz eben nicht nur darum, Schönes zu erhalten. 
Es geht um Zeitgeschichte und deren Dokumentation.“


Genau das ist Kristina Sassenscheidts Passion. Seit rund zweieinhalb Jahren ist sie als Vorsitzende des Denkmalvereins Hamburg aktiv. Und sie führt diesen Job mit einer Hingabe aus, die vergessen lässt, dass es sich bei dieser Funktion um ein Ehrenamt handelt. „Ich bin in große Fußstapfen getreten“, sagt sie. „Mein Vorgänger hat diesen Job 25 Jahre gemacht, Denkmalschutz gelebt, und ich habe zudem einen sehr engagierten Vorstand an meiner Seite.“ Das treibt an. Seit die 41-Jährige das Ruder übernommen hat, hat sie einiges bewegt. Neue Website, neues Logo und eine Vorsitzende, die in den Medien und Gremien dieser Stadt – auch mal lauter – die Stimme erhebt: Seit fast 40 Jahren gibt es den Denkmalverein Hamburg; Kristina Sassenscheidt verleiht ihm neuen Drive. 


Die Liebe zu Altbauten hat die Hamburgerin schon früh entwickelt. Aufgewachsen in Eppendorf zog es sie nach dem Abitur zum Studium nach Lübeck. Doch statt Posaune an der Musikhochschule zu üben, erkundete sie die Stadt, machte Fotos von den Gebäuden und spürte: Ihr Herz schlägt für Altbauten. Sie wechselte an die Technische Universität in Berlin und studierte Architektur, begann mit Räumen und Veranstaltungsformaten zu experimentieren. 2007, inzwischen wieder an die Elbe zurückgekehrt, kamen ihr diese Experimente zugute: Sie baute die Öffentlichkeitsarbeit für das Hamburger Denkmalschutzamt auf und entwickelte Formate wie den Denkmalstammtisch – immer mit dem Ziel, die breite Bürgerschaft auf undogmatische Art für Baukultur zu begeistern. Diese Motivation wird zum Kern von Kristinas Arbeit, sie zieht sich wie ein roter Faden durch ihre Karriere. „Es reicht nicht, wissenschaftliche Gutachten zu erstellen. Man muss deren Inhalte vermitteln. Den Medien, den Bürgern, der Politik.“ Sieben Jahre lang machte sie diesen Job. 2014 brachte sie ihren Sohn Neo zur Welt – eine Zäsur. Kristina sucht neue Herausforderungen, übernimmt nach ihrer Elternzeit das Fundraising und die PR für die fux eG in Altona, die einen gemeinschaftlichen Produktionsort für Kultur, Bildung und Gewerbe betreibt. Fast zwei Millionen Euro sammelte sie für die Renovierung der Viktoria-Kaserne, in der das Projekt beheimatet ist. Sie hat einfach ein Händchen für Förderer-Bindung – und das nützt der studierten Architektin auch als Vorsitzende des Denkmalvereins. Derzeit arbeitet sie an dem Ausbau eines neuen Förderkreises, um schlagkräftigere Strukturen zu schaffen.

 

„Es herrscht Vermittlungsbedarf. Die Hamburger spüren, dass viele für die Stadt wichtige Orte gefährdet sind“, sagt sie, „Orte wie das Lagerhaus G. Wir müssen für diese Bauwerke kämpfen.“ 


Kämpfen kann Kristina Sassenscheidt. Das hat ihr Vater Hajo vorgelebt. „Er hat den typischen ,Marsch durch die Institutionen‘ vollzogen, vom Mao-lesenden Psychologie-Studenten bis zum Referatsleiter in der Schulbehörde, ohne sich dabei zu verbiegen. Und er hat sich bis heute immer ehrenamtlich engagiert, hat zum Beispiel die Eppendorfer Friedensinitiative mitgegründet.“ Auch seine Tochter verbiegt sich nicht. Sie bleibt authentisch, egal auf welchem Parkett sie sich bewegt, sei es das politisch-bürgerliche oder das alternative. „Unsere Baudenkmäler“, sagt sie, „gehen uns alle an.“ Sie sind, historisch gesehen, so unterschiedlich wie die Menschen, die sie einst bewohnten und bewohnen. „Hamburgs Stadtbild kann und darf nicht banalisiert, glatt geschliffen werden. Eine Großstadt muss Brüche aushalten. Sozial. Und baulich.“

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