Diesen Artikel finden Sie in unserer Ausgabe 39
In der Fabrik an der Rothenburgsorter Billstraße kreischten früher Holzsägen. Heute wird hier gekocht, zwar nicht direkt am Fließband, aber hochprofessionell. Hannes toastet gerade Sandwiches. Nicht für eine TV-Produktion, sondern für seine 53 Mitarbeiter. „Die haben mich hier einfach eingeteilt für das Mittagessen“, grinst er. Das hat bei Foodboom Tradition, wohl auch, weil Rothenburgsort ansonsten kulinarisch eher Ödland ist. Einer kocht, Punkt 13 Uhr kommen alle zusammen an zwei ellenlangen Holztischen: die Köche, Fotografen, Videoproduzenten, Social Media Manager, Magazinredakteure und Grafiker und alle, die man sonst noch für ein ziemlich schnell gewachsenes Medienhaus braucht. Hier werden Rezepte entwickelt, Fotos und Videos produziert – für die eigenen Medienkanäle foodboom.de, Facebook, ein Print-Magazin, Apps, Kochbücher – und für zahlende Kunden aus der Lebensmittelindustrie. Zu den Sandwiches gibt es Pasta, Soße ist schon fertig und simmert duftend vor sich hin.
Hannes erzählt gern, wie er zwölf Kilo Staub von den Holzdecken geholt, renoviert, Strom und Wasser gelegt hat, das Ganze hat ein Jahr gedauert. War hart, aber hat ihm sichtlich Spaß gemacht – doch zu den Hobbys später. Sebastian kommt dazu, Laptop unterm Arm. Hannes: „Ich erzähl’ wieder von unserem Ehevertrag.“ „Ah, die ganze Romantik …“, lacht Sebastian. Kennengelernt haben sich die Geschäftsführer auf einer Food-Messe. Beide hatten mit Lebensmitteln zu tun, Sebastian als Manager, Hannes als Koch, Entwickler und Show-Produzent. So teilen die beiden Chefs auch heute ihre Jobs auf. Nach der Messe wurden einige Biere und Weine getrunken, ein paar Telefonate später fanden sie sich zur Strategie-Planung in einem Konferenzraum des 25hours Hotels in der Hafencity wieder. Klar war beiden:
„Wir wollen geilen Content machen.“
Originelle Rezepte, und die – ganz wichtig – appetitlich abbilden. Und dann sind sie pragmatisch vorgegangen, genug gute Kontakte in der Branche hatten sie. Haben einfach losgelegt, die ersten Aufträge noch in Hannes’ WG-Küche gedreht. Im November 2015 gingen sie online, zu Weihnachten schossen die Klickzahlen durch die Decke. Sebastian hatte das Social Media Management über die Feiertage übernommen: „Wollte mit gutem Beispiel vorangehen. Und dann saß ich unterm Weihnachtsbaum, und meine Frau war sehr begeistert, weil ich nur noch Kundenanfragen beantwortet habe.“
An ihre Idee haben sie fest geglaubt. Dass die so schnell einschlägt, damit hatten auch sie nicht gerechnet. Aber sie haben einen Nerv getroffen: Kochen ist Trend. Shows im TV, Küchen im Wohnzimmer, bewusste Ernährung … der Lebensmitteleinzelhandel hat in den letzten zehn Jahren um 27 % an Umsatz zugelegt, liegt mit 183 Milliarden noch vor der Autoindustrie. Also Leser und Kundschaft weit und breit. Sie wussten, dass viele Marken ein gutes Werbeumfeld vermissten. Online gab es zwar schon Seiten mit User-generated Content, aber so richtig lecker sieht da auch das beste Käsekuchen-Rezept nicht aus. Die klassischen Magazin-Verlage wiederum sparten ihre Versuchsküchen zusammen, kopierten aus Kochbüchern und Blogs, das merkten auch die Leser. Foodboom dagegen sollte ein Lebensgefühl transportieren, dem Endverbraucher zeigen, er muss nicht stundenlang in der Küche stehen. Eine frische Tomate auf die TK-Pizza schneiden ist immerhin ein Anfang. Convenience-Produkte sind kein Tabu, einer ihrer Kunden macht (sehr leckeren) Senf, letztlich eine Würzmischung, aber mit Birne auf Käsekuchen eine Wow-Überraschung.
Native Advertising nennt man das dann. Und das funktioniert bei Foodboom nach drei Regeln: 1. Das Produkt, der Senf, muss dem Kunden einen Mehrwert bringen, das Wow! 2. Alle müssen daran glauben. Bei bestimmten Marken haben die Foodboom-Macher die Zusammenarbeit abgelehnt, weil Inhaltsstoffe oder Herstellungsweise nicht ihren moralischen Kriterien entsprachen. 3. Offen und ehrlich sein, Produkt-Kommunikation immer markieren. Und wenn einer schreibt, „Oh, hier ist aber viel Werbung“, schreiben zwanzig andere aus der Community: „Was willst du, alles umsonst haben? Die müssen doch auch ihre Löhne zahlen!“ Ehrlichkeit zahlt sich aus.
Kochen hat für die beiden viel mit Emotionen zu tun, deswegen stehen auch echte Köche vor der Kamera, sind die vier Küchen bis ins Detail mit Liebe eingerichtet, allein die Requisitenkammer mit Geschirr und Accessoires in allen Farben des Regenbogens … Antiquitätenläden danach durchstöbern, in Baumärkte fahren und am Wochenende rumwerkeln sind rein zufällig Hobbys der beiden, welch glückliche Fügung.
Ein Traum für Foodies, dem ein beinhartes Geschäftsmodell zugrunde liegt. Auch wenn das Unternehmen in zwei Jahren von fünf auf 53 Mitarbeiter gewachsen ist, die Klickzahlen der Konkurrenz die Tränen in die Augen treiben, sehen sie sich eher hanseatisch-kaufmännisch geprägt; haben so ausgebaut, dass sie Investitionen immer operativ finanzieren konnten. Business Angels haben einzelne Technologie-Entwicklungen mitfinanziert, aber mehr nicht. Auch wenn am Anfang Investoren Schlange standen, heute sind sie sehr froh, dass sie sich ihre Unabhängigkeit bewahrt haben und keinen von den großen Verlagen ins Boot geholt haben. „Obwohl“, Hannes lacht, „der Lamborghini war schon bestellt!“ Scherz. Ein Luxus, den sie sich aber mit dieser Freiheit leisten können, ist: Dinge machen, ausprobieren. Nicht lange vorher labern, einfach mal mit zwölf Leuten für zehn Tage nach Namibia fahren. Mit einem fertigen Film wiederkommen und sagen: „Hey, wir machen jetzt übrigens was Neues: Foodboom Traveler.“ Rezepte aus aller Welt, Dänemark bis Kolumbien, sich Zeit nehmen, andere Esskulturen erkunden, Antilope grillen als kreative Bereicherung. Ein Investor hätte wohl gesagt, Jungs, nee, Harz ist doch auch super … Sie machen einfach. Was sich noch nicht rechnet, zahlt auf die Marke ein, Querkalkulation. Und für das Team ist so ein Außendreh natürlich auch großartig, vor allem, wenn man einen Chef hat, der verkündet: „Drehplan ist eh gestorben, alle Badehose an und rein ins Wasser!“
Jetzt toastet der Chef das 99. Sandwich für seine Crew, lässt noch kurz scheppernd den Nudeltopf fallen, damit auch alle wissen, dass es gleich losgeht, und meint nur: „Bisschen Action muss auch sein!“ Klar werden wir zum Essen mit an die lange Tafel gebeten. Große Hamburger Erfolgsstory, großer Spaß!